Heyne Galaxy 05
Miller, Verana und ich lebten in Luna-City, zusammen mit einigen hundert anderen Menschen. Seit mehr als einem Jahr gab es die Ansiedlung auf dem Mond. Die Möglichkeiten, sich zu erholen, waren beschränkt. Sehr beliebt waren Ausflüge auf die Mondoberfläche. So war es nicht weiter verwunderlich, daß wir nach dem Essen beschlossen hatten, einen gemeinsamen Spaziergang zu unternehmen. So einfach war das: ein Spaziergang auf dem Mond.
Wir hatten nichts anderes als Krater, Schluchten und Felsformationen erwartet. Und natürlich den Staub, den es überall gab. Was aber war geschehen? Wir saßen in einem fremden Raumschiff, überlistet und gefangen.
Meine Beine zitterten. Ich war plötzlich müde und erschöpft. Ich spürte meinen Herzschlag. Es war verrückt, aber ich roch plötzlich Veranas Parfüm. Nein, das war alles kein Traum. Obwohl alles so unwirklich schien, war es Wirklichkeit. Und zwar eine schreckliche Wirklichkeit.
Ich nahm Veranas Hand und ging mit ihr den Korridor zurück, in Richtung der Schleuse, durch die wir in das Schiff gelangt waren. Wir waren kaum einige Schritte gegangen, als sich plötzlich vor uns sechs Türen öffneten.
Verana hielt sich die Hand vor den Mund, um ihren Aufschrei zu unterdrücken.
Sechs Türen! Die beiden, durch die Harry und Marie Kane verschwunden waren, blieben geschlossen.
Niemand zwang uns, den Korridor zu verlassen. Zögernd betrat ich den nächsten Raum. Verana folgte mir. Der ganze Raum war mit Regalen ausgestattet, die an den Wänden standen. Sie waren mit Tausenden bunter Dosen und Flaschen angefüllt. In der Mitte stand auf einem grünen Plastikboden ein Tisch mit vier Stühlen. Die Stühle hatten keine Rückenlehne, nur eine nach innen gewölbte Plattform, die von einer biegsamen Säule gehalten wurde.
»Ed!« Ich ging, so schnell ich konnte, zu Verana, die auf die Regale deutete. »Ed, das sind alles Lebensmittel. Der ganze Raum ist voller Vorräte.«
Ich sah die Zeichnungen sofort. Sie waren sehr einfach gehalten und mußten jedem Betrachter unbedingt verständlich sein. Das erste Bild zeigte eine nackte Frau und einen nackten Mann, die Flaschen und Dosen aus den Regalen nahmen. Auf dem zweiten Bild war zu erkennen, wie die beiden die Flaschen und Dosen öffneten. Auf dem dritten Bild schließlich war zu sehen, wie der Mann aus einer Dose aß und die Frau aus einer Flasche trank.
»Versuchen wir, wie es schmeckt«, schlug ich vor.
Ich nahm eine orangefarbene Dose. Als ich den Deckel berührte, schmolz er und löste sich auf. Der Inhalt der Dose bestand aus kleinen Würfeln, ebenfalls orangefarben. Ich probierte.
»Schmeckt wie Schokolade.«
Verana trank aus einer Flasche.
»Milch«, erklärte sie.
»Sehen wir uns die anderen Räume an«, sagte ich.
Wir fanden einen Saal, der zweifellos der Erholung diente. Auf den Tischen lagen Spiele und Bücher, die primitive Zeichnungen mit Instruktionen enthielten. In zwei weiteren Räumen standen Betten. Weiche Teppiche bedeckten die Böden, und hier war das Licht nicht so grell, sondern schien gedämpft. Daneben entdeckten wir Badezimmer mit fließendem Wasser und Toiletten.
Der letzte Raum war ein Observatorium.
Eine Wand und die Decke waren durchsichtig. Die Sterne, klar und deutlich wie nie zuvor, standen immer nur für wenige Sekunden am Himmel, und dann für die gleiche Zeitspanne zu verschwinden, ehe sie wieder zurückkehrten. Sie standen dann in anderen Positionen. Die Sternbilder selbst waren fremd.
»Hyper-Raum-Antrieb«, flüsterte Verana fast scheu. Die stete Veränderung der Sterne faszinierte sie ungemein. Seit Jahrzehnten versuchten unsere Wissenschaftler vergeblich, einen überlichtschnellen Antrieb zu entwickeln.
Wir ließen uns in bequemen Sesseln nieder, zündeten uns eine Zigarette an und betrachteten das Schauspiel.
Wenige Minuten später trat Marie ein. Ich bemerkte zu meinem Erstaunen, daß sie ganz ruhig war und daß ihr Gesicht keine Sorge mehr verriet. Sie setzte sich neben Verana.
»Was ist geschehen? Wo wart ihr?« fragte meine Frau.
Marie kreuzte die Beine und lehnte sich zurück.
»Wirklich eine Überraschung, das alles. Zuerst hatte ich wirklich Angst, wie ich gestehen muß. Ich kam in einen ganz dunklen Raum und konnte nichts mehr sehen. Dann berührte etwas meinen Kopf, und ich hörte eine telepathische Stimme.«
»Telepathisch?« unterbrach Verana.
»Ja, telepathisch. Sie sagte, ich solle mich nicht beunruhigen, denn mir würde nichts geschehen. Sie sagte weiter, man
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