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Heyne Galaxy 14

Heyne Galaxy 14

Titel: Heyne Galaxy 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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auf der Straße an und macht ihn darauf aufmerksam, daß sein Schatten einem Affen ähnelt.
    Vielleicht ahnte der Affe Maxwells Wünsche und half ihm auf irgendeine außerirdische Weise, nicht aufzufallen. Wenn das zutraf, war es recht nett von ihm. Als er die U-Bahn-Station betrat, sagte er über die Schulter: »Die Sache mit den Türen tut mir leid.«
    Verständlicherweise fiel der Affe im Gewühl der Station kaum auf. Als sich Maxwell entschuldigte, war er zudem etwa auf Kindergröße zusammengeschrumpft, und sein mürrischer Gesichtsausdruck hatte sich gemildert.
    In seinem kleinen Büro legte Maxwell den Hut ab und ließ die Tür offen, um – wie allmorgendlich – eine Zeitlang den Ausblick auf Sheila Walters Nacken zu genießen.
    Mit Neunundzwanzig begann Miß Walter langsam alle Hoffnung zu verlieren, doch ihr Nacken war von außerordentlichem Reiz.
    An anderen Schönheitsattributen fehlte es ihr nicht; sie war ein spanieläugiges, ruhiges Mädchen. Obwohl sie eine geschickte Empfangsdame und Sekretärin war, die für alle vier Partner arbeitete, war sie in der letzten Zeit öfter grundlos aus dem Konzept geraten, wie sie sich selbst freimütig und nicht ohne Besorgnis eingestand. Auch hatte sie festgestellt, daß sie unbewußt an ihrer Frisur nestelte, wenn sie bestimmte entnervende Geräusche hörte – wie zum Beispiel das langgezogene Räuspern H. K. Bindles, das Niesen T. J. Bindles und schließlich das Kratzen F. W. Bindles, dessen Hände während des Diktierens ständig in Bewegung waren. Sheila war ein hübsches Mädchen, dessen Gesichtszüge sich zuweilen, wenn niemand hinschaute, sogar zur Schönheit verklärten, wenn sie einmal Gelegenheit fand, Maxwells Nacken zu betrachten – obwohl dieser nichts Besonderes und manchmal sogar nicht einmal sehr sauber war.
    Als sie an diesem Morgen den Affen bemerkte, der Maxwell ins Büro folgte, hatte sie das Gefühl, daß eine Bemerkung hierüber nicht recht am Platze sei, und sagte nur: »Guten Morgen, Max.« Mit ihren Spanielaugen blickte sie kurz zu ihm auf, lächelte, ließ den Wagen ihrer Schreibmaschine laut zurückfahren und erfreute sich an seinem tiefen »Hallo, Sheila!« Auch sie hatte heute seit dem Aufwachen einiges durchgemacht und hatte schon überlegt, ob sie das Problem nicht einmal mit einer engen Freundin durchsprechen sollte, die sich zur Zeit in Behandlung bei ihrem dritten Psychoanalytiker befand.
    Als es sich Maxwell in seinem Büro bequem gemacht hatte – die Tür war noch immer offen –, konzentrierte sie sich wieder auf die Anklageschrift in Sachen eines gewissen Jasper Baring gegen seinen Großneffen Judson Baer wegen öffentlicher Beleidigung.
    Besagten Judson Baer wurde vorgeworfen, an einem öffentlichen Orte – sprich: einer Bar – vor sechs Zeugen behauptet zu haben, daß besagter Jasper Baring ein skrupelloser Geschäftemacher sei, der sich lieber an den Eingeweiden seiner Opfer gütlich tue, als ihnen zu helfen. Sheilas anmutiger Nacken rötete sich während der Arbeit immer mehr, und sie geriet wieder einmal aus dem Konzept. Als sie es nicht mehr aushielt, warf sie ihren Radierstift hin, trat mutig in Maxwells Büro und fragte ihn hastig, wie man das Wort ›Gütlichtuung‹ schreiben müßte. »Ich glaube, es muß mit zwei ›u‹ geschrieben werden, aber es sieht trotzdem so seltsam aus.«
    »Hmm, in welchem Zusammenhang wird es denn gebraucht?« fragte Maxwell, dem sehr daran gelegen war, daß Miß Walter noch etwas in seinem Büro blieb, damit er sich über etwas klarwerden konnte.
    »Nun, es geht um die Behauptung, die der alte Jasper über Judson … nein, umgekehrt – Judson hat etwas über Jasper gesagt. Warten Sie, ich hole die Unterlagen, Max.«
    Als sie an ihren Tisch zurückeilte, mußte Maxwell seine letzten Zweifel aufgeben. Sein Kater war längst vorüber, doch es waren zwei Affen im Raum – zuerst einmal sein eigenes Exemplar, und dann ein Affe, der an der Tür stand und mit verzweifelten Handbewegungen in imaginären Papierstapeln wühlte.
    Maxwells Affe schien mehr oder weniger außer Dienst zu sein. Vielleicht lag das daran, daß der Schreibtischstuhl seines Meisters sehr dicht an der Wand stand, was die Arbeit eines jeden Schattens erschweren konnte. Jedenfalls interessierte sich Maxwells Affe im Augenblick sehr für seinen Artgenossen. Beide Affen waren etwa gleich groß und gaben auf ihre Weise ein hübsches Paar ab.
    »Hier ist es«, sagte Sheila. »H. K. war der Ansicht, daß die Behauptung

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