Heyne Galaxy 14
Trotzdem hatte er über den Vorfall geweint, denn es hätte leicht ein Unglück geben können. Später hatte er versucht, etwas aus der Tasche eines Polizisten zu stehlen und war dabei natürlich hereingefallen. Er hatte die Erklärung seines Freundes noch im Ohr: »Das tut er immer, Wachtmeister. Hat nichts zu bedeuten.« Aber warum sollte jemand versuchen, einen Polizisten zu bestehlen, wenn es nichts zu bedeuten hatte? Und als er jetzt erwachte, saß der Affe am Fußende seines Bettes, deutlich zu sehen im schmerzenden Morgenlicht.
Er warf ein Kissen danach.
Das Kissen flog durch die Erscheinung hindurch, wurde jedoch sichtbar gebremst. Und das war erstaunlich, denn von einem Geist erwartet man normalerweise nicht, daß er Einfluß auf stoffliche Dinge nimmt. Maxwell sagte: »Du bist eine semihalluzinative Erscheinungsform aus Gaspartikeln oder ein Wesen aus dem Weltenraum. Wie dem auch sei – dein Eindringen in meine Privatwohnung stellt einen eklatanten Hausfriedensbruch dar.« Maxwell war der jüngste Partner in der Rechtsanwaltfirma Bindle, Bindle, Bindle und Maxwell. »Verschwinde von meinem Bett.«
Der Affe gehorchte, hob das Kissen auf, warf es auf das Bett und ließ sich wieder am Fußende nieder.
»Aha«, sagte Maxwell, »du verstehst, was ich sage, und du kannst mit materiellen Objekten umgehen, obwohl du sie umgekehrt weniger auf dich einwirken läßt. Bitte hol mir ein Aspirin.«
Der Affe blieb sitzen. Er war schwarz und schwanzlos und hatte etwa die Größe eines Airedale-Hundes. Soweit Maxwell beurteilen konnte, war er jung und gesund, hatte jedoch wahrscheinlich einen Kater.
Maxwell tastete sich ins Badezimmer. Der Affe ahmte seine Bewegungen nach und hielt sich dabei etwas außerhalb seiner Reichweite. Aber Maxwell hätte ohnehin wenig Lust gehabt, nach dem seltsamen Tier zu greifen. Er spülte die Aspirin-Tabletten hinunter. »Willst du eine?« Der Affe nickte, fing die Tablette auf und wartete darauf, daß ihm Maxwell im Badezimmer Platz machte. Maxwell zog leise den Schlüssel aus dem Schloß und trat zur Seite. Der Affe ging ins Badezimmer. Maxwell seufzte und schloß das Tier ein.
Wenig später kehrte der Affe durch das Schlüsselloch zu ihm zurück und nahm irritiert seine alte Form wieder an. Er schien größer geworden zu sein.
»Du hast also auch einen Kater«, sagte Maxwell und zog sich an. Der Affe kümmerte sich nicht um seine Bemerkung, sondern imitierte Maxwells Handbewegungen. Da er offenbar keine Kleidung brauchte und sich auch nicht an Maxwells Sachen vergreifen wollte, wirkten seine Verrenkungen einigermaßen lächerlich. Es war eine Art Schattenspiel.
Zum Frühstück warf Maxwell dem Affen ein Stück verbrannten Toast hin und goß ihm auch widerstrebend etwas Kaffee ein, als das Tier aufgestanden war und sich selbst eine leere Tasse geholt hatte. Anschließend wurde abgewaschen, wobei der Affe Maxwells Bewegungen in sicherer Entfernung nachmachte. Scherzhaft fragte Maxwell: »Was hättest du gemacht, wenn die Tür kein Schloß oder nur ein Sicherheitsschloß gehabt hätte?«
Der Affe erwiderte nichts, sondern sah ihn nur sehr ernst an, was er ohnehin die ganze Zeit tat.
Maxwell kam nicht darum herum, ins Büro zu gehen. Als jüngster Partner der Sozietät erwartete man von ihm, daß er einen Großteil der Fußarbeit leistete, um seine Existenz im – wie sich der älteste Bindle oft ausdrückte – »Vertrauenskreis« zu beweisen. Er wandte sich an den Affen: »Ich werde jetzt nach unten gehen, das Haus verlassen und fünf Stationen mit der U-Bahn stadteinwärts fahren. Dann marschiere ich von der Lexington-Avenue zur Dritten Avenue und noch zwei Querstraßen nach Süden. Schließlich benutze ich den Fahrstuhl vom Erdgeschoß bis in den neunten Stock. Irgendwelche Bemerkungen …? Nein. Gut.«
Er verließ die Wohnung und ließ die Tür, die ein Sicherheitsschloß hatte, schnell hinter sich zufallen.
Kurz vor der U-Bahn-Station holte ihn der Affe ein.
Er war wieder gewachsen und hatte nun fast Maxwells Größe. Er rieb sich die linke Hüfte, als ob er sich irgendwo verletzt hätte, und blickte Maxwell mürrisch an.
Es war ein herrlicher Maimorgen, und die New Yorker hatten ihren guten Tag. Die Passanten kümmerten sich nicht um Maxwell und seinen seltsamen Begleiter. Hier und da traf ihn ein verwirrter Blick, und eine ältliche Dame schien etwas sagen zu wollen, hielt sich jedoch zurück. Sie war wohl zu höflich, dachte Maxwell. Niemand hält gern einen Fremden
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