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HHhH

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Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
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vom 25. auf den 26. April ist ein Luftangriff vorgesehen. Dabei sollen die Fallschirmspringer an den vier Eckpunkten des Industriekomplexes Signalfeuer entzünden, um den englischen Bombern zu ermöglichen, ihr Ziel zu orten.
    Also begeben sich mehrere Fallschirmspringer, mindestens vier, einzeln für diese Operation nach Pilsen. Sie treffen sich an einem zuvor vereinbarten Treffpunkt in der Stadt (im Restaurant Tivoli, ich frage mich, ob es noch existiert), und bei Einbruch der Nacht legen sie in der Nähe der Fabrik in einem Stall und in einem Strohschober Feuer.
    Als die Bomber eintreffen, müssen sie ihre Bomben nur noch zwischen den beiden Lichtpunkten abwerfen. Doch sie werfen daneben. Die Mission ist ein totaler Reinfall, obwohl die Fallschirmspringer ihren Teil der Aufgabe perfekt ausgeführt haben.
    Dafür lernt Kubiš während seines kurzen Aufenthalts in Pilsen eine junge Verkäuferin kennen; sie ist Mitglied der Widerstandsbewegung, die der Gruppe beim Ausführen der Mission behilflich ist. Wo auch immer er auftauchte, hatte Kubiš viel Erfolg bei Frauen – dank seiner schönen Gesichtszüge, mit denen er wie ein amerikanischer Schauspieler wirkte. Er hätte der Sohn von Cary Grant und Tony Curtis sein können, hätten die beiden gemeinsam ein Kind bekommen. Auch wenn die Sabotageaktion eine schmähliche Niederlage war, hat er also zumindest nicht umsonst Zeit investiert. Zwei Wochen später, also zwei Wochen vor dem Attentat, schreibt er der jungen Frau, Marie Žilanová, einen Brief. Eine weitere Unvorsichtigkeit ohne Konsequenzen. Ich hätte zu gern gewusst, was in dem Brief stand, ich hätte ihn auf Tschechisch abschreiben sollen, als ich ihn vor Augen hatte.
    Bei ihrer Rückkehr nach Prag sind die Fallschirmspringer völlig entnervt. Sie mussten viele Risiken auf sich nehmen, die ihre Hauptmission hätten gefährden können, ihre geschichtsträchtige Mission, alles nur für ein paar Geschütze. Sie schicken eine bissige Mitteilung nach London, in der sie verlangen, dass man beim nächsten Mal Piloten schickt, die die Region kennen.
    Ehrlich gesagt bin ich nicht einmal sicher, ob Gabčik bei der Zwischenmission in Pilsen auch dabei war. Ich weiß nur, dass Kubiš, Valčík und Čurda daran teilnahmen.
    Wie mir gerade auffällt, habe ich abgesehen von einer elliptischen Anspielung in Kapitel 178 noch gar nicht von Karel Čurda gesprochen, obwohl er historisch und dramaturgisch gesehen eine bedeutende Rolle spielt.

184
    In jeder guten Geschichte muss es einen Verräter geben. Und in meiner gibt es einen. Er heißt Karel Čurda. Er ist dreißig Jahre alt, und ich weiß nicht, ob man auf den Fotos, die ich von ihm habe, schon Merkmale eines Verräters in seinem Gesicht erkennen kann. Der Werdegang des tschechischen Fallschirmspringers ist dem Gabčiks, Kubiš’ oder Valčíks zum Verwechseln ähnlich. Zunächst verdingt er sich in der Armee, wird nach der Besetzung durch die Deutschen demobilisiert, verlässt sein Land über Polen und gelangt schließlich nach Frankreich. Dort tritt er der Fremdenlegion bei, wird später Teil der tschechoslowakischen Exilstreitkräfte und begibt sich nach der Niederlage Frankreichs nach England. Im Unterschied zu Gabčik, Kubiš und Valčík wird er während des Rückzugs der Franzosen aber nicht an die Front geschickt. Doch das ist nicht der entscheidende Unterschied zwischen ihm und den anderen Fallschirmspringern. In England meldet er sich freiwillig für Spezialeinsätze und nimmt an der gleichen intensiven Ausbildung teil wie die anderen. Gemeinsam mit zwei weiteren Mitgliedern seiner Einheit springt er in der Nacht vom 27. auf den 28. März 1942 über dem Protektorat ab. Was dann folgt, soll an dieser Stelle noch nicht erzählt werden.
    Jedenfalls nimmt das Drama seit England ungehindert seinen Lauf – damals hätte es noch verhindert werden können: Denn in England offenbart sich bereits Stück für Stück der zweifelhafte Charakter des Karel Čurda. Er trinkt viel, was natürlich kein Verbrechen ist. Doch wenn er zu viel getrunken hat, schwingt er Reden, die seine Regimentskameraden bestürzen. Er sagt, er bewundere Hitler. Er sagt, er bedauere, das Protektorat verlassen zu haben, wo es ihm jetzt viel besser ginge, wäre er dort geblieben. Seine Kameraden vertrauen ihm so wenig, halten ihn für so unzuverlässig, dass sie in einem Brief an General Ingr, den Verteidigungsminister der tschechischen Exilregierung, auf Čurdas Verhalten hinweisen. Sie fügen

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