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HHhH

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Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
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hin, was den Beliebtheitsgrad der Deutschen angeht, und nimmt sicherlich an, dass Heydrich ähnlich klarsichtig ist. Doch der legt eine solche Selbstsicherheit an den Tag; Speer weiß nicht, ob Heydrichs paternalistischer Ton, mit der er von «seinen» Tschechen spricht, aufgesetzt ist oder ob Heydrich tatsächlich eine derartige Nervenstärke besitzt. Es mag eine kleinbürgerliche Anwandlung sein, doch während sie mit offenem Verdeck im Mercedes durch Prags Straßen fahren, fühlt sich Speer alles andere als sicher.

182
    Kapitän Morávek, letzter Überlebender der Drei Könige und einziger verbliebener Kopf des Dreigestirns der tschechischen Widerstandsbewegung, weiß eigentlich, dass er nicht zu dem Treffen gehen sollte, das sein alter Freund René, alias Oberst Paul Thümmel, Offizier der Abwehr, alias A54, der größte Spion, der jemals für die Tschechoslowakei gearbeitet hat, für ihn vereinbart hat. A54 konnte ihn vorwarnen: Er ist aufgeflogen und dieses Treffen eine Falle. Doch Morávek scheint zu glauben, dass sein Wagemut ihn beschützen wird. Schließlich hat er ihm bisher schon so oft das Leben gerettet. Er, der dem Chef der Gestapo in Prag regelmäßig Postkarten schickte, um von seinen Glanzleistungen zu berichten, lässt sich nicht so schnell einschüchtern. Warum auch immer, er möchte Gewissheit haben. Als er im Park eintrifft, wo das Treffen vereinbart wurde, macht er zwar seinen Kontaktmann ausfindig, aber auch Männer, die ihn überwachen. Er will sich gerade aus dem Staub machen, da erscheinen zwei Männer im Regenmantel hinter ihm und sprechen ihn an. Ich habe noch nie persönlich an einer Erschießung teilgenommen und kann mir nur schwer vorstellen, wie so etwas vonstattengeht in einer so friedlichen Stadt, wie Prag es heute ist. Während der daraufhin einsetzenden Verfolgung fallen mehr als fünfzig Schüsse. Morávek hechtet über eine der Brücken, die die Vltava überqueren (leider weiß ich nicht, welche), und springt in eine fahrende Bahn. Doch die Männer der Gestapo haben Verstärkung bekommen und strömen von allen Seiten auf ihn zu, als würden sie teleportiert, selbst im Straßenbahnwagen befinden sich bereits welche. Morávek springt aus der Tram. Wird am Bein getroffen. Er bricht auf den Schienen zusammen, und während er von allen Seiten umstellt wird, richtet er seine eigene Waffe auf sich. Logischerweise ist dies die sicherste Methode, dem Feind nichts zu verraten. Doch seine Taschen werden sprechen: An seinem Leichnam finden die Deutschen das Foto eines Mannes – noch wissen sie nicht, dass es sich dabei um Josef Valčík handelt.
    Diese Geschichte markiert das Ende des letzten Vorsitzenden der «Drei Könige», des legendären tschechischen Netzwerks. Ebenso ist sie eine ernstzunehmende Bedrohung für «Anthropoid», denn zu jenem Zeitpunkt, am 20. März 1942, ist Valčík bereits sehr involviert. Und Heydrich kann damit einen weiteren Erfolg verbuchen, zum einen als Protektor von Böhmen und Mähren, der eine der gefährlichsten noch aktiven Widerstandsorganisationen enthauptet und somit die Mission erfüllt, für die er ausgesandt wurde, zum anderen als Chef des SD, indem er einen Superspion demaskiert hat, der noch dazu ein Offizier der Abwehr ist – der Konkurrenzeinrichtung seines Rivalen und ehemaligen Mentors Canaris.

183
    In London herrscht Ungeduld. Es ist bereits fünf Monate her, dass «Anthropoid» per Fallschirm abgesetzt wurde, und seitdem gibt es quasi keine Neuigkeiten. Immerhin weiß London, dass Gabčik und Kubiš noch leben und einsatzbereit sind. Über den einzigen noch aktiven geheimen Sender mit Codenamen «Libuše» werden diese Art Informationen übermittelt, sofern es welche gibt. Auf diesem Weg teilt London den beiden Agenten eine neue Mission zu. Arbeitgeber sind zu allen Zeiten darauf bedacht, die größtmögliche Effizienz aus ihren Arbeitnehmern herauszuquetschen. Diese Mission hebt die vorherige nicht auf, sondern ist eine zusätzliche. Sie verzögert ihre eigentliche Mission. Gabčik und Kubiš sind wütend. Sie müssen sich nach Pilsen begeben, um an einer Sabotageaktion teilzunehmen.
    Pilsen ist eine große Industriestadt im Westen des Landes, nahe der deutschen Grenze, und bekannt für ihr Bier, das berühmte Pilsner Urquell. London interessiert sich allerdings weniger des Bieres wegen für Pilsen, sondern mehr wegen der Fabriken von Škoda. Bei Škoda werden 1942 nämlich keine Autos produziert, sondern Geschütze. Für die Nacht

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