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HHhH

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Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
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Mystizismus war, der alle Deutschen in Böhmen auf einmal erfasst zu haben schien.

57
    «[Das Konstanzer Konzil hat] unsere natürlichen Feinde, die benachbarten Deutschen, überall gegen uns zu einem ungerechten Kampf aufgerufen […]. Sie [die Deutschen] sind – auch wenn sie keine Gründe haben – unserer Zunge immer böswillig gesinnt, und was sie unserer Zunge am Rhein, in Meißen und in Preußen angetan haben, wo sie sie vertrieben haben, das gedenken sie auch uns anzutun, um die Plätze der Vertriebenen einzunehmen.»
    Hussitisches Manifest vom 3. April 1420

58
    Ein Mal, ein einziges Mal, haben Frankreich und England Hitler während der Tschechoslowakei-Krise widersprochen. Der helle Wahnsinn! Und Englands Erklärung war zudem äußerst halbherzig.
    Am 19. Mai 1938 werden an der tschechischen Grenze deutsche Truppenbewegungen gemeldet. Am 20. Mai macht die Tschechoslowakei einen Teil ihrer eigenen Truppen mobil und sendet zugleich eine deutliche Nachricht: Wenn die Truppen angegriffen werden, werden sie sich verteidigen.
    Frankreich reagiert mit einer Entschlossenheit, die man nicht mehr erwartet hatte, und lässt unverzüglich verkünden, dass es seine Verpflichtungen gegenüber der Tschechoslowakei einhalten werde, das heißt, ihr militärisch zu Hilfe eilen wird, sollten die Deutschen angreifen.
    England ist über Frankreichs Einstellung unangenehm überrascht, stellt sich aber trotzdem auf die Seite seines Alliierten. Mit der klitzekleinen Einschränkung, dass die britischen Streitkräfte sich nicht aktiv an einem bewaffneten Konflikt beteiligen werden. Chamberlain ist darauf bedacht, dass seine Diplomaten bei der Verkündung dieser Peinlichkeit die Form wahren: «Für den Fall eines europäischen Konflikts ist es unmöglich zu wissen, ob Großbritanniens Truppen ausreichend trainiert sind, um einzuschreiten.» Es hat schon entschlussfreudigere Politiker gegeben.
    Hitler wird sich später noch daran erinnern, wie Chamberlain versucht hatte, sich herauszuwinden. Doch zunächst bekommt er es mit der Angst zu tun und gibt klein bei. Am 20. Mai verkündet er, dass Deutschland keinerlei feindliche Absichten gegenüber der Tschechoslowakei hege, und lässt die zusammengezogenen Truppen wieder abmarschieren, als wäre nichts gewesen. Die offizielle Version lautet, es habe sich um schlichte Routinemanöver gehandelt.
    Doch Hitler kocht innerlich vor Wut. Er fühlt sich von Beneš gedemütigt, und die Kampfeslust packt ihn. Am 28. Mai trommelt er die Oberbefehlshaber der Wehrmacht zusammen und brüllt ihnen folgende Kampfansage entgegen: «Es ist mein unerschütterlicher Wille, die Tschechoslowakei von der Landkarte auszulöschen!»

59
    Großbritanniens mangelnder Enthusiasmus, seinen Verpflichtungen nachzukommen, beunruhigt Beneš. Er erkundigt sich telefonisch bei seinem Botschafter in London nach dem aktuellen Stand der Dinge. Das Gespräch wurde vom deutschen Geheimdienst aufgezeichnet und macht mehr als deutlich, dass sich die Tschechen keine großen Illusionen mehr machen, was die Engländer angeht; besonders Chamberlain bekommt sein Fett ab:
    «Der verfluchte Bastard verlangt von uns, dass wir Hitler in den Arsch kriechen!»
    «Bearbeiten Sie ihn weiter, bis er zur Vernunft kommt!»
    «Vernunft besitzt dieser räudige Hund nicht mehr, Hauptsache, er kann dem Nazi-Scheißhaufen hinterherhecheln und ihn von allen Seiten beschnüffeln.»
    «Dann sprechen Sie mit Horace Wilson. Er soll den Premierminister warnen, dass England ebenfalls in Gefahr schwebt, wenn wir uns nicht alle entschlossen zeigen. Meinen Sie, Sie können ihm das klarmachen?»
    «Wozu soll ich mit Wilson sprechen? Der Mann ist ein Schakal!»
    Die Deutschen ließen den Engländern die Tonbandaufnahme umgehend zukommen. Chamberlain war anscheinend stinksauer und hat es den Tschechen niemals verziehen.
    Trotzdem reist Chamberlains Vertrauensmann Wilson nach Deutschland, um Hitler einen Schlichtungsversuch zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei unter englischer Aufsicht vorzuschlagen. Hitler tobt los, was er mit einer englischen Aufsicht anfangen solle. Der alte Schweinehund sei verrückt, wenn er glaube, ihn so gängeln zu können. Erstaunt erwidert Wilson, wenn Herr Hitler sich auf den Premierminister beziehe, so könne er ihm versichern, dass dieser keineswegs verrückt sei, sondern lediglich im Interesse des Friedens handle. Darauf gibt es für Hitler kein Halten mehr: Die Bemerkungen dieses Speichelleckers interessierten ihn

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