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eine Yak. Er kann die rundliche Silhouette des kleinen sowjetischen Jagdflugzeugs problemlos identifizieren. Trotz der gewaltigen Anzahl feindlicher Flugzeuge, die deutsche Bomber zu Beginn der Offensive bereits am Boden zerstört haben, ist der sowjetische Luftraum nicht vollständig gesäubert. Hier und da regt sich einzelner Widerstand: Die Yak ist der Beweis dafür. Doch an der Überlegenheit der deutschen Luftflotte gibt es keinen Zweifel, weder in Bezug auf Qualität noch auf Quantität. Kein sowjetischer Jäger kann angesichts des aktuellen Stands der anwesenden Streitkräfte ernsthaft hoffen, eine echte Gefahr für die Me109 darzustellen. Heydrich befiehlt seiner Staffel, in Formation zu bleiben. Er will sich und seinen Männern etwas beweisen, indem er ganz alleine ein russisches Flugzeug abschießt. Er sinkt auf dessen Höhe ab, begibt sich in seinen Luftstrom. Der Pilot der Yak hat nichts bemerkt. Zu Beginn des Manövers versucht Heydrich, sich dem Ziel zu nähern, um aus etwa einhundertfünfzig Metern Entfernung darauf zu schießen. Das deutsche Flugzeug ist um einiges schneller, es schließt auf. Als er das Heck des russischen Flugzeugs deutlich im Visier hat, schießt Heydrich. Sofort schwanken die Tragflächen der Yak wie die Schwingen eines aufgescheuchten Vogels. Doch die erste Salve hat sie nicht getroffen, und in Wirklichkeit ist sie auch nicht aufgescheucht. Die Yak setzt sich ab und nimmt Kurs Richtung Boden. Heydrich versucht, ihr zu folgen, doch verglichen mit dem russischen Piloten fliegt er hoffnungslos ausladende Kurven. Dieser Vollidiot von Göring hatte behauptet, die sowjetische Luftflotte sei vollkommen veraltet, und damit hat er sich, wie mit so ziemlich allem, was die Nazis über die Sowjetunion dachten, gründlich getäuscht: Sicher, die Yak kann es mit den deutschen Jagdflugzeugen in puncto Leistung nicht aufnehmen, doch macht sie ihre relative Langsamkeit durch eine wahrhaft infernalische Wendigkeit wieder wett. Das kleine russische Flugzeug befindet sich weiter im Sinkflug und zieht dabei immer engere Kreise. Heydrich verfolgt den Jäger, bekommt ihn aber nicht ins Visier. Die Szene gleicht der Verfolgung eines Hasen durch einen Windhund. Heydrich will unbedingt einen Sieg einfahren und ein kleines Flugzeug auf den Rumpf seiner Maschine pinseln. Er versteift sich so sehr darauf, dass er nicht bemerkt, wie die Yak auf ihrem Zickzackkurs, mit dem sie den Salven ihres Verfolgers zu entkommen versucht, nicht einfach irgendwohin fliegt, sondern sich auf einen bestimmten Punkt zubewegt. Als um ihn herum Explosionen ertönen, versteht Heydrich: Der russische Pilot hat ihn über eine sowjetische Flak gelotst. Und er war so dämlich, in die Falle zu tappen. Ein gewaltiger Ruck geht durch die Maschine. Schwarzer Rauch dringt aus dem hinteren Ende. Heydrichs Flugzeug stürzt ab.
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Es trifft Himmler wie ein Schlag ins Gesicht. Ihm steigt das Blut in den Kopf, und er spürt, wie sein Gehirn in der Hirnschale anschwillt. Gerade hat er die Neuigkeit erfahren: Bei einem Luftangriff über der Beresina wurde Heydrichs Messerschmitt 109 abgeschossen. Natürlich wäre es ein großer Verlust für die SS, wenn Heydrich tot wäre, ein ergebener Mann, eifriger Kollaborateur etc. Doch eine wahre Katastrophe wäre es, wenn er noch lebte. Denn der Jäger ist hinter den sowjetischen Linien zu Boden gegangen. Wenn er den Führer darüber in Kenntnis setzen muss, dass sein Chef des Sicherheitsdienstes den Feinden in die Hände gefallen ist, kann Himmler sich auf eine sehr unschöne Szene gefasst machen. Im Geiste macht er schon mal eine Bestandsaufnahme der Informationen, die Heydrich besitzt und die für Stalin interessant sein könnten. Sein Informationsumfang scheint schwindelerregend. Dabei weiß der Reichsführer nicht einmal genau, worüber sein Untergebener im Bilde ist. Sollte Heydrich auspacken, könnte das zu einem politischen und strategischen Desaster mit unkalkulierbaren Folgen führen. Himmler gelingt es nicht, das Ausmaß abzuschätzen. Hinter seinen kleinen runden Brillengläsern und seinem kleinen Schnurrbart ist er schweißgebadet.
Eigentlich liegt sein dringlichstes Problem nicht einmal dort, wo er es vermutet. Wenn Heydrich tot ist oder von den Russen gefangen genommen wurde, muss er als Allererstes dessen Dossiers sicherstellen. Darin könnten Gott weiß was für Informationen über Gott weiß wen stehen. Er wird die Karteikästen in Heydrichs Büro und privatem Wohnsitz sicherstellen
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