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nächste und gewinnen fünf zu eins. Das ukrainische Publikum ist vor Freude wie von Sinnen. Auf deutscher Seite herrscht Groll. Es wird in die Luft geschossen. Doch noch hat keiner der Spieler Grund zur Beunruhigung, denn die Deutschen glauben, ihnen diese Demütigung auf dem Spielfeld heimzahlen zu können.
Drei Tage darauf wird eine Revanche organisiert, die mit Plakaten aufwendig beworben wird. In der Zwischenzeit lassen die Deutschen in aller Eile Profispieler aus Berlin anreisen, um die Mannschaft zu stärken.
Das zweite Fußballspiel beginnt. Wieder ist das Stadion rappelvoll, doch dieses Mal umstellen SS-Truppen das Gelände; offiziell sind sie als Ordnungshüter eingesetzt. Wieder gehen die Deutschen zunächst in Führung. Doch die Ukrainer legen sich ins Zeug und gewinnen fünf zu drei. Am Spielende toben die Fans der ukrainischen Mannschaft vor Begeisterung, doch die Spieler sind aschfahl im Gesicht. Die Deutschen eröffnen das Feuer. Sie drängen aufs Spielfeld. In der Aufregung gelingt es drei ukrainischen Spielern, in der Menge unterzutauchen. Sie werden den Krieg überleben. Die übrigen Spieler der Mannschaft werden verhaftet, vier von ihnen bringt man direkt nach Babi Yar, wo sie exekutiert werden. Während er schon am Abgrund der Schlucht kniet, ruft der Mannschaftskapitän und Torhüter Nikolai Trusevich noch: «Der rote Sport wird niemals sterben!» Dann werden die anderen Spieler der Reihe nach ermordet. Heute steht vor dem Dynamo-Stadion ein Denkmal, das ihnen gewidmet ist.
Es gibt eine unglaubliche Fülle von Versionen dieses legendären «Todesspiels». Einige berichten, es habe noch eine dritte Spielbegegnung stattgefunden, während der die Ukrainer wieder gewannen … acht zu null! Erst nach Ausgang dieses Fußballspiels seien die Spieler festgenommen und hingerichtet worden. Doch die Version, die ich ausgewählt habe, erscheint mir am glaubwürdigsten; und was den groben Verlauf betrifft, sind sich immerhin alle einig. Ich befürchte allerdings, meine Darstellung könnte Detailfehler enthalten, da ich mir nicht die Zeit genommen habe, eine vertiefte Recherche über ein Thema durchzuführen, das mit Heydrich nicht direkt zu tun hat. Doch ich wollte auch nicht von Kiew reden, ohne diese unglaubliche Geschichte zu erzählen.
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Auf Hitlers Schreibtisch stapeln sich die Berichte des SD, in denen die skandalöse Nachlässigkeit im Protektorat angeprangert wird. Kontakte zwischen dem tschechischen Ministerpräsidenten der Protektoratsregierung Alois Eliáš und London, Sabotageakte, noch aktive Widerstandsnetze, Zunahme aufrührerischer Tendenzen im Volke, Schwarzmarkt in voller Blüte, Produktionsrückgang um 18 Prozent – so, wie Heydrichs Männer die Situation darstellen, scheint sie hochexplosiv. Nun, mit Öffnung der russischen Front, gewinnt die Produktivität der tschechischen Industrie, einer der leistungsstärksten Europas, für das Reich zunehmend an Bedeutung. Die Fabriken von Škoda müssen auf vollen Touren laufen, um das Kriegsgeschehen zu unterstützen.
Hitler ist zwar paranoid, lässt sich aber auch nicht zum Narren halten: Ihm muss klar sein, dass Heydrich auf Neuraths Posten als Reichsprotektor von Böhmen und Mähren schielt und großes Interesse daran hat, die Lage schwarzzumalen, um die Politik des ehemaligen Barons zu diskreditieren. Doch wenn Hitler irgendetwas nicht leiden kann, dann Schlappschwänze (Barone übrigens auch nicht). Die aktuellsten Meldungen sind der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Beneš und seine Entourage haben von London aus zum Boykott der Okkupationszeitungen aufgerufen, was bei der einheimischen Bevölkerung bemerkenswerten Anklang fand und eine ganze Woche lang befolgt wurde. Die negativen Auswirkungen an sich sind nicht allzu groß, doch es beweist anschaulich, welch großen Einfluss die tschechische Exilregierung immer noch ausübt. Darüber hinaus zeugt es von einer grundsätzlichen Abneigung gegenüber den Besatzern. Wenn man zudem noch Hitlers Hass auf Beneš berücksichtigt, kann man sich unschwer vorstellen, wie fuchsteufelswild ihn diese Botschaft macht.
Hitler weiß, dass Heydrich ein rücksichtsloser Erfolgsritter ist, dem alle Mittel recht sind, um sein Ziel zu erreichen, doch das schockiert ihn nicht – aus gutem Grund: Hat er sich nicht seit jeher genauso verhalten? Hitler respektiert Heydrich gerade aufgrund von dessen Fähigkeit, Härte und Tüchtigkeit zu vereinen. Fügt man noch Heydrichs ungebrochene
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