Hibiskusblüten
Onkel? Schlecht?“
„Sehr schlecht“, sagte sie, „Doktor Cassner hat mir wenig Hoffnung gemacht.“
„Ging er freiwillig?“
„Ja, nachdem er selber merkte, wie ernst es war. Und Doktor Howard redete ihm auch zu.“
Sie schwieg eine Weile, und dann sagte sie: „Ich möchte fort, Mister Stretcher, weit fort, mit Eve. Die arme Dinah! Ich kann mir gar nicht denken, wer... Werden Sie Eve finden, Mister Stretcher?“
„Sicherlich“, sagte ich und hielt vor dem Krankenhaus, „ich bin sogar fest davon überzeugt.“
Ich stieg aus. Mary-Ann blickte mich vertrauensvoll an.
„Ich glaube Ihnen und werde alles tun, was Sie gesagt haben. Ich vertraue Ihnen, Mister Stretcher.“
„Das ist gut“, nickte ich ihr zu. Ich schloß die Wagentüre und beugte mich ein wenig zu ihr hinein. „Aber“, fuhr ich fort, „Sie hätten es mir trotzdem sagen sollen, daß auch Ihr geschiedener Mann Ihren Wagen manchmal fährt, und daß sie sich mit ihm bei Dinah öfters getroffen haben. — Auf Wiedersehen — Kopf hoch, Sie hören wieder von mir.“
Ich nickte ihr lächelnd zu. Sie saß da, völlig erstarrt, mit halboffenem Mund. Diese Mine war genau an der richtigen Stelle in die Luft gegangen. Natürlich hatte sie um Franky Angst. Eigenartig nur, daß sie ihm eine solche Tat zutraute.
Ohne noch einmal umzuschauen, stieg ich in meinen Wagen und fuhr los. Ich fuhr aber nicht weit, bog in eine Nebenstraße und wartete. Wenige Augenblicke später schoß vorn der grüne Packard vorbei. Ich fuhr ihm nach.
Es war keine Heldentat, Mary-Ann zu verfolgen. Sie fuhr rasch, schien aber gar nicht auf den Gedanken zu kommen, daß man sie verfolgen könne. Ich wußte genau, zu wem sie fahren würde, und ich spürte es in meinen Fingerspitzen kribbeln. Fuhr ich nun der Lösung des Blütenrätsels entgegen? Hatte die Schlußrunde angefangen?
Mary-Ann fuhr den Wilshire Boulevard in Richtung Beverly Hills hinauf, bog dann aber nach links ab zur Stone Canyon Reservation. Sie hielt vor einem achtstöckigen Haus, an dessen Vorderfront in Gold die Buchstaben IAC prangten. Dem Namen nach kannte ich die International Advertising Company, eine der größten Werbefirmen von Kalifornien.
Ich parkte so, daß ich den Eingang gut beobachten konnte, in dem Mrs. Buttom gerade verschwunden war.
Während ich wartete, schwirrten mir viele Gedanken durch den Kopf. Vor allem machte ich mir um Eve Sorgen. Ich hatte zwar Mary-Ann gesagt, daß ich mit einer Erpressung rechnete und deshalb nicht glaubte, daß Eve etwas passiert sei — das waren aber nicht meine wirklichen Befürchtungen. Vielmehr hatte ich den Eindruck, daß der Mörder wahrscheinlich gar nicht gewußt hatte, daß Dinah nicht allein war. Erst als er sie umgebracht hatte, entdeckte er das Kind oder wurde von ihm überrascht. Infolgedessen mußte auch Eve verschwinden. Für einen Burschen, der so brutal und kaltblütig mordete, war es kein Problem, die Leiche eines Kindes verschwinden zu lassen.
Dies waren meine nüchternen, sozusagen beruflichen Überlegungen; in meinem Inneren aber wehrte sich etwas heftig gegen den Gedanken, die kleine Eve würde nicht mehr leben. Ich wollte es nicht glauben.
Es stand für mich fest, daß diese Lungenentzündungen keine waren. Ich rechnete damit, daß Doktor Cassner im Krankenhaus dahinterkommen würde. Es mußte sich um eine Art von Vergiftung handeln, die das Atemzentrum lähmte, daß das Krankheitsbild einer Lungenentzündung zum Verwechseln glich. War das wirklich der Fall, so entstand die Frage: wem bringt das alles Gewinn?
Da der alte Pickles noch nicht tot war, konnte ich nicht ahnen, wie sein Testament lautete. Sicherlich aber hätten seine beiden Nichten, Mary-Ann und Dinah, das ungeheure Vermögen geerbt. Vielleicht aber enthielt das Testament auch ein ansehnliches Legat für den Gärtner, von dem der alte Herr soviel hielt, und der ebenfalls ein Blumennarr war.
Der Kreis um die verdächtigen Personen wurde dadurch recht eng: er umfaßte nur noch Mary-Ann, den Gärtner und Franky Buttom. Mary-Ann traute ich die Tat nicht zu. Wenn auch diese rätselhaften Vergiftungen der beiden Alten sehr wohl auf eine weibliche Urheberin hinweisen konnten, so hielt ich Mary-Ann einfach nicht für kräftig genug, Dinah mit einer Hand zu erwürgen. Anders sah es schon aus, wenn sich Mary-Ann und ihr geschiedener Mann zusammengetan hatten. Dann wäre es gut möglich gewesen, daß Mary-Ann die beiden Alten auf diese heimtückische Art umgebracht, während Franky
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