Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
aber gar nicht müde aus«, sagt Bruno in seiner leicht anmaßenden Art und kommt bis an den Tisch heran. »Sondern rosig und munter.«
Wie frisch verliebt, denke ich, bevor ich es verhindern kann.
»Worum geht’s?«, frage ich Bruno geschäftsmäßig.
Er müsste doch als Erster verstehen, dass Privatgespräche während der Dienstzeit in sehr engen Grenzen zu halten sind.
»Um gestern«, antwortet Bruno und blickt kurz nach unten.
Dann schaut er mich abwartend an.
Gestern?
Ach, gestern! Gestern ist so viel Aufregendes passiert, dass dieses Wort bei mir eine regelrechte Flut von Gedanken auslöst. Die fast nur um Niklas kreisen.
»Gestern?«, frage ich verträumt.
Wie schön wäre es, Bruno würde wieder verschwinden. Dann könnte ich mit meinem Kaffeebecher zurück zum Fenster.
Bruno lächelt gequält und zupft am Ärmel seines hellgrauen Jacketts.
»Du weißt sicher noch, was gestern nach der Magenspiegelung passiert ist, Iris?«, fragt er gewichtig.
Mein Gott. Hat Felix sich etwa inzwischen an seine Liebeserklärung erinnert? Und ausgerechnet Bruno davon erzählt?
»Ach, das«, sage ich um einen humorigen Ton bemüht. »Das war doch eher … witzig !«
»Witzig?«, fragt Bruno und zieht seine buschigen Augenbrauen hoch.
»Ja, natürlich. Ganz witzig«, sage ich abwiegelnd. »Das brauchen wir doch nicht ernst zu nehmen.«
Jetzt sieht Bruno eindeutig beleidigt aus.
»Nicht ernst?« Er klingt auch verletzt. »Wenn du von Felix’ Freundin hörst, ich … ich würde dich anbeten ?«
»Ach, das !«, rufe ich erleichtert.
Wie gut, dass Felix sich wohl doch nicht erinnert.
Aber diese Sache mit Bruno und dem Anbeten …
Unwillkürlich verzieht sich mein Gesicht.
»Jetzt erinnere ich mich wieder«, erkläre ich rasch. »Richtig. Diese Melanie hat das gesagt. Natürlich war mir gleich klar, dass sie da was missverstanden haben muss.«
Ich lächle Bruno ermutigend an.
»Nicht wahr?«, frage ich. Und nicke. Das müsste Bruno jetzt nur nachmachen, und die Sache wäre aus der Welt.
»Nein«, sagt Bruno und wird erschreckend blass. »Sie hat das richtig verstanden.«
Entgeistert blicke ich meinen Vorgesetzten an.
»Selbstverständlich habe ich nicht gesagt, dass ich dich anbete , Iris.«
»Aha?«
»Aber«, sagt Bruno gepresst. »Aber in anderen Worten habe ich wohl doch zum Ausdruck gebracht, dass … dass ich dich sehr schätze.«
»Sehr schätze?«, hake ich nach, um es sogleich zu bereuen.
Bruno guckt mir tief in die Augen. Am liebsten würde ich einfach wegschauen, aber er sieht derartig aufgewühlt aus, dass ich es ihm nicht antun mag.
»Ich habe von dir geschwärmt, Iris. Dieser Person gegenüber. Weil du so anders bist als sie – und ich ihr andeuten wollte, was eine tolle Frau wirklich ausmacht. Und wie wenig angetan ich von ihrem albernen Verhalten bin.« Bruno stockt kurz. »Sie hat sich das angehört, vielsagend gelacht und gemeint, dass es mich wohl schwer erwischt hätte. Und dann hat sie gefragt, ob ich dir eigentlich schon gesagt hätte, was ich für dich empfinde.«
Bruno schaut mich hoffnungsvoll an.
»Diese Melanie ist vielleicht doch nicht so dumm, wie ich dachte«, fügt er mit einem verkrampften Lächeln hinzu.
O nein. Das darf nicht wahr sein.
Brunos ziemlich verkorkste Liebeserklärung ist mir viel unangenehmer als die seines Sohnes. Felix weiß immerhin nichts von seinen Gefühlsbekundungen – und er hat im Gegensatz zu Bruno etwas anregend Rebellisches. Und, geht mir plötzlich auf, auch etwas schlaksig Attraktives.
Ich atme tief ein und seufze.
Bruno blickt etwas weniger hoffnungsvoll.
Ach, er sieht heute aber auch wirklich besonders bieder aus. Zum üblichen grauen Anzug, der selbstverständlich etwas zu kurze Ärmel hat, trägt er eine trostlose hellgraue Krawatte und ein leicht verfärbtes weißes Hemd – sicherlich hat er meine Hinweise ignoriert und es wieder mit der Buntwäsche gewaschen. Sein ohnehin bescheidener Haarkranz scheint lichter denn je.
»Möchtest du auch einen Kaffee?«, frage ich ihn kurzerhand.
Bruno schaut mich verdutzt an. Ich weiß, er ist überzeugter Kräuterteetrinker. Und das auch nur in den offiziellen Pausenzeiten.
»Ja … ja gerne. Warum nicht?«
Er zuckt mit den Schultern, als habe er entschieden, dass jetzt sowieso alles egal ist. »Keine Ahnung, ob ich das Koffein vertrage.«
»Komm«, sage ich, stehe auf und bin erleichtert, ihm den Rücken zuzukehren, so dass er mein Gesicht nicht sehen kann. Meine Miene, ich
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