Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
spüre es, hat sich als Reaktion auf seine Offenbarungen in eine höchst betretene und gänzlich abgeneigte verwandelt. Auf dem kurzen Weg zur Kaffeemaschine mühe ich mich redlich, ein verständnisvolles, wenn auch bedauerndes Lächeln aufzusetzen.
Immer noch mit dem Rücken zu ihm, schenke ich Bruno einen großen Becher Kaffee ein.
»Bitte schön!«, sage ich freundlich und wende mich wieder zu ihm.
Bruno ist mir offenbar auf den Fersen gefolgt, denn er befindet sich unmittelbar hinter mir und der dampfende Becher erwischt ihn fast am Revers.
»Hoppla!«, sagt er ungewohnt scherzhaft und zwinkert mir zu.
Ich zucke zurück.
Was denkt er bloß? Vielleicht, ich sei durch seine Worte von romantischen Gefühlswallungen und damit verbundener nervöser Unbeholfenheit erfasst? Will er etwa mit mir flirten ?
Ich bedenke ihn mit einem kühlen Blick, drücke ihm den Kaffee in die Hand und lasse ihn mit seinem Getränk allein am Fenster stehen.
Ehe Bruno sich versieht, sitze ich wieder hinter meinem Tisch. Demonstrativ schlage ich den nächstbesten Aktenordner auf. Und greife nach einem Kugelschreiber.
So.
»Bruno«, sage ich sachlich, »ich muss mich jetzt wirklich an die Arbeit machen.«
Bruno sieht aus, als wäre er wild darauf versessen, mich mit einer noch weitreichenderen Offenlegung seiner Emotionen zu beglücken. Anscheinend hat er so etwas lange nicht mehr gewagt und befindet sich nun im Rausch seiner eigenen Kühnheit. Seine Augen glänzen jedenfalls merkwürdig, und er hält den roten Kaffeebecher mit beiden Händen liebevoll umklammert wie ein kostbares Geschenk.
Er macht einen verspielten Schritt auf mich zu und lächelt.
»Bruno!«, sage ich barsch, »reiß dich zusammen!«
Als hätte ihn eine unsichtbare Ohrfeige getroffen, bleibt Bruno wie angewurzelt stehen. Gott sei Dank, auch der Glanz in seinen Augen weicht von einer Sekunde zur anderen. Er stellt den Kaffeebecher einfach auf dem Kopierer ab, rückt sich seine Krawatte zurecht und schaut mich ernüchtert an.
»Verstehe«, murmelt er bemerkenswert gefasst.
Er nickt. Und besonderer Respekt legt sich auf seine Züge.
»Verstehe, Iris.« Seine Stimme klingt erstaunlich fest. »Du bist zwar nicht mit Jörg verheiratet – aber selbstverständlich fühlst du dich ihm genauso zur Treue verpflichtet, als seist du es. Sehr anständig von dir.«
Das ist doch unerhört!
Bildet sich Bruno wirklich ein, nur Jörg stünde zwischen ihm und mir? Denkt er tatsächlich, ich könnte mir nichts Besseres vorstellen, als von einem 58 Jahre alten, überkorrekten Mann in Grau begehrt zu werden?
Begeistert, Bruno sogleich eines Besseren belehren zu können, greife ich nach den drei leeren Bilderrahmen und halte sie ihm vor die Nase.
»Nanu!«, macht Bruno erstaunt.
Dann lehnt er sich ein wenig vor, als erwarte er tatsächlich, aus der Nähe vielleicht doch noch ganz winzige Jörgs zu entdecken.
»Jörg hat vorgestern unsere Beziehung beendet!«, verkünde ich mit Triumph in der Stimme.
Bruno macht den Mund auf, aber er ist sprachlos. Keine Ahnung, was ihn mehr verwirrt. Dass ich mit einmal Single bin. Oder wie sehr ich mich anscheinend darüber freue.
Ich lächle grimmig. Höchste Zeit, mit meinem Bieder-Image aufzuräumen!
»Aber Iris …«, stammelt mein Vorgesetzter schließlich. »Ich kann es gar nicht fassen. Wie konnte Jörg nur?«
»Nun ja«, sage ich lässig und nehme einen schnellen Schluck Kaffee. »Er hat eine Neue. So ist das Leben.«
Bruno starrt mich schockiert an.
»O Gott! Du Arme! Du kannst auf keinen Fall auch nur einen Tag länger im Haus dieses Menschen bleiben!«, stellt er mit bebender Stimme fest. »Die Situation ist ja … eine ungeheure Zumutung für dich!«
Ich nicke erstaunt über Brunos heftige Anteilnahme.
»Selbstverständlich kannst du erst mal in unser Gästezimmer ziehen, Iris«, sagt er. Und wird knallrot. »Keine Angst, ich werde dich mit meinen Gefühlen nicht weiter behelligen. Ich möchte dir nur helfen. Und Felix ist sicher ebenfalls gerne bereit, dich bei uns aufzunehmen, bis du eine Wohnung gefunden hast.«
Ich schrecke regelrecht zusammen.
Die Vorstellung! Wohnen im Feld’schen Bungalow!
Bruno sieht mich besorgt an. Offensichtlich denkt er wirklich nur an mein Wohlergehen in dieser fiesen Lebenslage.
»Danke. Dein Angebot ist sehr großzügig, Bruno«, antworte ich beschämt. »Ich bin aber schon gestern Abend zu Emma gezogen.«
»Sehr gut. Dann bin ich beruhigt«, erklärt Bruno.
Es klopft an der
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