Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
mich Bruno immer, weil ich mich als Einzige stets vorschriftsmäßig melde.
»Du rufst eben außerhalb der Öffnungszeiten an«, sage ich keck. »Da melde ich mich, wie ich will.«
»Verstehe«, meint Niklas. »Ich bin übriges hocherfreut, dass ich dich so früh erwische. Allerdings habe ich schon vermutet, dass du eine Überpünktliche bist.«
Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, dass Niklas mich erstaunlich gut einschätzen kann. Vielleicht kann er das ja, weil er sich besonders für mich interessiert.
Womöglich sollte ich jetzt auf meinen Plan zu sprechen kommen, ihm zum Dank einen Kuchen zu backen. Und ihn zum Kaffeetrinken einladen. Aber ich möchte nicht, dass meine Einladung wie ein plumper Annäherungsversuch erscheint, auch wenn sie einer ist.
»Iris? Bist du noch da?«, fragt Niklas. »Bin ich dir zu nahe getreten? Bist du doch nicht überpünktlich?«
»Ich bin noch da. Und überpünktlich stimmt«, antworte ich rasch.
»Ich möchte dich einladen«, verkündet Niklas. »Am Sonntag.«
Er mich ?
Er ist verwegen!
»Am Sonntag?«, frage ich, als wäre eine Einladung am Sonntag etwas extrem Ungebräuchliches in unserem Kulturkreis.
»Ja«, lacht Niklas. »Wenn du Zeit hast. Und Lust.«
Die Turmuhr der Kirche gegenüber dem Amt schlägt acht.
»Ja. Sicher. Ich habe nichts vor«, sage ich glücklich und lasse mich in meinen Bürostuhl fallen. »Und Lust habe ich auch.«
Die jörglosen Bilderrahmen stechen mir in die Augen. Kurz habe ich eine Vision von neuen Bildern. Mit Niklas drauf.
»Prima!«, ruft Niklas begeistert. »Dann können meine Eltern dich auch kennenlernen.«
Ich setze mich auf.
Seine Eltern?
Niklas und ich kennen uns doch kaum. Und er verhält sich, als hegten wir bereits Heiratsabsichten!
Und ehrlich gesagt hatte ich mir etwas Romantisches vorgestellt.
Etwas zu zweit.
»Weißt du, Niklas«, beginne ich behutsam, da ich mich natürlich entsinne, wie verletzlich er ist. »Weißt du, vielleicht sollten wir beide uns erst mal besser kennenlernen, bevor ich deine Eltern treffe. Das würde ich wirklich gerne.«
Niklas schweigt.
Plötzlich überfällt mich die schreckliche Vorstellung, er würde jetzt einfach auflegen. Und sich nie wieder melden.
Ich beiße mir auf die Lippen.
»Niklas«, sage ich in den schwarzen Amtshörer hinein.
»Ja?«, fragt er kurz angebunden.
Mein Gott. Ich habe ihn tatsächlich getroffen.
Ich seufze.
Ach, was soll’s? Wie schlimm kann es denn schon sein, Niklas’ Eltern zu treffen? Genau betrachtet, ist es doch ein geradezu rührender Vertrauensbeweis von Niklas, mich ihnen vorzustellen.
»Ich habe eben vorschnell reagiert«, sage ich entschlossen. »Ich komme gerne mit zu deinen Eltern. Vielleicht können wir ja im Anschluss noch etwas zu zweit machen, ja?«
»Sicher können wir das.« Niklas taut wieder auf. »Wir werden einen wunderschönen altmodischen Sonntag miteinander genießen, Iris!« Er hält kurz inne. »Ich habe dir ja schon gestanden, dass meine Vorstellungen etwas altmodisch sind. Und ich hatte den Eindruck, deine seien es auch …«
»Ja«, räume ich ein. »Ziemlich altmodisch.«
»Ich hole dich kurz vor der Mittagszeit ab. Was meinst du?«
»Sehr gerne. Ich freue mich drauf!«, antworte ich.
Annähernd ehrlich.
Ein paar klitzekleine Vorbehalte drücken mich immer noch.
Aber mit denen werde ich schon fertig.
»Meine Schwester wird auch da sein. Das ist doch kein Problem für dich, Iris?«, fragt Niklas heiter.
Ich seufze. Aber nur innerlich.
»Kein bisschen«, beteuere ich schleunigst.
»Bis Sonntag«, verabschiedet sich Niklas frohgemut.
»Bis Sonntag«, antworte ich leicht demotiviert und lege auf.
Ein wenig benommen sitze ich ein paar Augenblicke einfach da und versuche zu entscheiden, ob mir gerade etwas höchst Erfreuliches widerfahren ist – oder etwas höchst Befremdliches.
Oje, ich mag mir gar nicht vorstellen, was Emma sagen wird, wenn sie von diesem Sonntagsessen hört. Mit seinen Eltern . Und seiner Schwester .
Am besten, ich erzähle ihr nicht so wahnsinnig detailliert davon.
Geistesabwesend rücke ich die jörglosen Bilderrahmen weiter an den Rand des Schreibtisches.
Ich kaue auf meiner Lippe.
Was ist, wenn Emma mit ihrer Einschätzung von Niklas doch ein bisschen recht hat?
Wenn er nun tatsächlich nicht geheuer ist?
Was auch immer sie damit eigentlich meint.
Ich lehne mich im Bürostuhl zurück und atme tief durch.
Das Telefon klingelt.
Erschreckt fahre ich zusammen. Es klingelt ein
Weitere Kostenlose Bücher