Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
Iris.
Fünfzehntes Kapitel
I ch kann immer noch nicht fassen, dass du dich von diesem Kerl gleich beim ersten Date zu seiner Familie schleppen lässt!«
Emma steht in ihrem kostbaren, wenn auch schrecklich kitschigen pinken Satinbademantel im Türrahmen ihres Gästezimmers, in dem ich mich in der vergangenen Woche einquartieren durfte. Ihre Arme sind verschränkt, ihre Stirn vor Zorn gefaltet und ihr Blick finster.
»Und dass du seit einer geschlagenen Stunde ein Outfit nach dem anderen verwirfst, weil es dir für diese Gelegenheit nicht passend erscheint, Iris – das ist einfach nicht mit anzusehen!«
»Es ist kein Date!«, stelle ich klar.
»Ach, nein? Wie würdest du es denn bezeichnen?«, fragt Emma angriffslustig und besorgt zugleich.
Ja, wie nur? Vielleicht, weil ich es insgeheim schon oft als Date bezeichnet habe, will mir nun offiziell auch nichts anderes einfallen.
»Es ist ein … sozialer Anlass. Ein Termin !«
Im Spiegel sehe ich Emma die Augen verdrehen.
»Seine Mutter ist schwer krank, Emma! Sei doch nicht so kaltherzig!«
»Und weshalb musst du dich für seine kranke Mutter so schick machen? Solltest du zum Besuch einer Frau mit Brustkrebs wirklich dieses Top wählen?«
Beschämt fällt mein Blick in den Spiegel auf die figurbetonte knallrote Bluse – die mir Emma selber bei unsrer letzten Shoppingtour aufgeschwatzt hat.
Es stimmt, die Bluse lässt mich viel sexier erscheinen, als … na ja, als ich bin. Deswegen habe ich sie auch noch nie getragen. Aber heute … heute hätte ich sie glatt mal angezogen! Außerdem war das schwarze T-Shirt, das ich vorher anhatte, nun wirklich zu trauerfarben! Und das blaue Polohemd trug definitiv auf. Als hätte ich seitlich Speckröllchen.
»Emma, bitte!«, flehe ich mindestens zum dritten Mal an diesem Sonntagvormittag und starre voller Zweifel in mein Spiegelbild. »Mach es dir doch einfach im Wohnzimmer mit einer Zeitung gemütlich!«
Auch ohne ihre ständigen Einwürfe ist es schwer genug, aus der Auswahl von Kleidungsstücken, die ich aus Jörgs Haus geholt habe, die geeignete Garderobe zusammenzustellen.
Die vor allem Niklas gefallen soll.
Nicht seiner Mutter.
Und das scheint Emma zu ahnen. Sie macht jedenfalls keinerlei Anstalten, ihren Überwachungsposten aufzugeben, sondern sieht mich herausfordernd an.
Ich stöhne verärgert.
Okay. Die rote Bluse macht tatsächlich ein so fabelhaftes Dekolleté, dass es für Niklas’ Mutter eine grausame Zumutung darstellen könnte. Von meinen eigenen moralischen Ansprüchen schachmatt gesetzt, ziehe ich sie wortlos aus und streife das blaue Speckröllchen-Polohemd über.
Emma guckt so zufrieden wie Monk nach einer Schüssel Sahne.
»Sehr gut. Ein bisschen sackartig. Aber absolut passend für deine noble Mission, Iris«, sagt sie. »Damit siehst du so was von selbstlos aus.«
Manchmal wünschte ich, ich hätte noch eine zweite beste Freundin. Eine, die mich nicht so leicht durchschauen kann.
Die Feng-Shui-Klingel im Flur ertönt.
»Es ist doch erst kurz nach elf!«, rufe ich.
Emma hat ihre kostspielige Behausung mit allen erdenklichen Raffinessen ausgestattet. Der Klang dieser speziellen Klingel soll universelles Wohlbefinden verbreiten.
Was in diesem Fall ganz und gar nicht klappt. Mir wird eiskalt vor Panik. Schließlich habe ich während der zermürbenden Anprobe von Oberteilen mit der Beinbekleidung nicht mal begonnen . Und die Option eines Kleides überhaupt nicht getestet.
Ich stehe in Unterhosen da. Während Niklas läutet.
»Unmöglich, derartig früh aufzukreuzen!«, empört sich Emma. »Hatte er nicht was von mittags gesagt?«
»Ja«, gebe ich kleinlaut zu.
»Soll ich ihn bitten, dass er später wiederkommt?«, fragt Emma eifrig.
»Nein!«, schreie ich sie an und springe in die nächstbeste Jeans. Ich kann mir nur allzu gut vorstellen, wie Emma Niklas bitten würde.
Schockiert muss ich feststellen, dass Emma mit einmal aussieht, als würde sie gleich heulen.
»Entschuldige! Das war blöd von mir«, sage ich und lege rasch meine Hand auf ihre Schulter, obwohl ich dabei fast das Gleichgewicht in meiner halb hochgezogenen Jeans verliere.
»Ich mache mir doch nur Sorgen um dich!«, schnieft Emma. »Fällt dir denn nicht auf, wie dieser Niklas dich ständig überrumpelt? Und dich dadurch manipuliert?«
Hätte ich Emma bloß nichts von Niklas’ Überraschungsbesuch im Amt erzählt! Oder von dem Blumenstrauß. Und dass er sich vor Bruno als mein Neuer ausgegeben
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