Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
Augenblick auch ganz egal.
Vielmehr kommt es mir vor, als sollte ich Felix unbedingt wissen lassen, dass er … nun ja … dass er inzwischen selber für andere eine ganz ernstzunehmende Stütze sein kann.
»Felix«, sage ich und lege Anerkennung in meine Stimme. »Ich finde, du bist richtig erwachsen geworden. In letzter Zeit.«
Felix sieht mich entsetzt an.
»Erwachsen?«
O nein! Wie konnte ich das nur so formulieren!
Das klingt ja wie das Gegenteil von dem, was ich sagen wollte.
»Felix, ich meinte eigentlich …«
»Ich bin fünfundzwanzig, Iris!«, sagt er wütend.
Verdammt, das ging nach hinten los. Kein Wunder, dass er das nicht als Kompliment auffasst.
»Ich meinte doch nur …«, starte ich hastig meine Richtigstellung. »Ich meinte doch nur, dass mir bisher nie aufgefallen war …«
Aus Angst, wieder danebenzugreifen, gerate ich ins Stocken.
Felix sieht mich nicht mehr wütend an. Sondern eher neugierig.
»Was war dir bisher nie aufgefallen?«, fragt er.
Silvester fängt an zu fiepen und will sich an Felix’ Bein vorbei durch die Gartenpforte zwängen.
Ach, eigentlich ist es doch ganz einfach: Mir ist bisher nicht aufgefallen, dass Felix ein Mann ist. Ich habe ihn immer nur als Brunos Sohn wahrgenommen.
Aber sagen kann ich das natürlich nicht.
Ich entscheide mich für: »Dass du ein prima Kumpel bist.«
Schließlich ist es doch fast dasselbe.
Und ein richtig schönes Kompliment.
Felix scheint es nicht sonderlich zu erbauen.
»Das freut mich. Prima Kumpel ist doch schon mal was«, sagt er voller Ironie.
Was hat er denn?
»Ja. Auf jeden Fall.« Ich kann ja nun schlecht das Gegenteil behaupten.
»Na, dann noch einen schönen Sonntag«, sagt Felix und gibt Silvesters Drängen nach.
»Dir auch«, sage ich zu seinem Rücken.
Die beiden verschwinden hinter der hohen, dunkelgrünen Hecke.
Warum war denn das so kompliziert?
Ich seufze verärgert. Was für ein Tag. Zum zweiten Mal stehe ich verwirrt auf dem Gehsteig. Diesmal aber immerhin mit Tasche. Und diesmal gehe ich, bevor noch etwas Unvorhergesehenes passieren kann.
Achtzehntes Kapitel
A uf dem gesamten Weg zu Emmas Wohnung grüble ich, was ich ihr überhaupt von den Nienabers erzählen kann – ohne dass sie mich mit allen Mitteln von einem weiteren Treffen mit Niklas abhalten wird.
Und nicht das kleinste bisschen ist übrig geblieben.
Nicht mal die kranke Mutter kann herhalten, um Emma milde zu stimmen. Nicht, wenn ich zugebe, dass besagte Mutter mir Angst macht.
Realistisch betrachtet kann ich Emma nichts von Niklas’ Familie erzählen.
Oder eben nur lauter Lügen.
Aber das kommt nicht in Frage. Nicht bei meiner besten Freundin.
Ich stecke den Schlüssel, den Emma mir gegeben hat, in die riesige Wohnungstür und habe immer noch keinen Schimmer, wie ich auf ihre unerbittlichen Fragen reagieren werde. Nur die Hoffnung, dass sie vielleicht nicht zu Hause ist. Oder sich entgegen ihrem quirligen Naturell zu einer ausgedehnten Nachmittagsruhe zurückgezogen hat.
Auch wenn ich mir albern vorkomme, mache ich ganz leise auf und schleiche in den Flur. Noch bevor ich die schwere Tür möglichst geräuschlos hinter mir geschlossen habe, vernehme ich eine Männerstimme aus dem Wohnzimmer. Und dann Emmas Stimme. Beide klingen gereizt.
Erstaunt halte ich inne.
Im nächsten Augenblick geht die Wohnzimmertür auf, und Emma steckt ihren hellen Lockenkopf in den Flur. Sie trägt immer noch den rosa Bademantel aus Seide und, wenn ich es richtig deute, an Stirn und Kinn Reste einer grünlichen Gesichtsmaske.
»Iris!« Sie klingt merkwürdig angespannt. »Dachte ich doch, dass ich was gehört habe!«
Emma und ihre verdammt guten Ohren.
»Halloho!«, flöte ich.
Extra fröhlich.
Auch wenn mir keineswegs danach zumute ist. Denn vielleicht muss ich Emma ja überhaupt nichts erzählen, wenn ich klinge, als sei mein Besuch bei den Nienabers einfach himmlisch verlaufen – weil Emma das doch gar nicht hören will.
Sie sieht tatsächlich einigermaßen verwundert aus.
»Du hast ja blendende Laune …«, stellt sie mit einem Stirnrunzeln fest.
So beschwingt, wie ich mir vorstelle, dass ich es nach einem durch und durch wunderbaren Beisammensein mit den Nienabers wäre, schreite ich zur Garderobe und hänge mit einer verspielten Geste meine Handtasche auf. Ich strahle meiner besten Freundin selig ins verblüffte Gesicht.
»Dann … dann war dein Besuch ein Erfolg, Iris? Ja?«, fragt sie.
Tja, liebe Emma, nun bist du
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