Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
Jörg würde verbindlicher sein. Dich endlich heiraten und ein nettes Eigenheim mit dir kaufen, anstatt dich nur in dem Haus seiner Eltern zu dulden. Und Kinder mit dir haben.«
Ich nicke und lasse die Tränen ruhig rollen.
»Und nun kommt endlich ein Mann«, fährt Emma sachlich fort, »der verbindlich ist. Sogar ungewöhnlich verbindlich.«
Ja, das ist Niklas. Ich nicke. Ungewöhnlich verbindlich.
»Ich finde einfach nur, du solltest nicht zu lange warten, Iris. Um deiner selbst willen. Was kann dir schon passieren? Schlimmstenfalls verkauft ihr das Haus wieder. Bestenfalls habt ihr dort irgendwann eine ansehnliche Schar Kinder rumtoben.«
Mein Herz zieht sich sehnsüchtig zusammen.
»Das wäre so schön«, sage ich leise.
»Ja, das wäre es«, sagt Emma, langt zwischen zwei Küchengeräten über den Tisch nach meiner Hand und drückt sie. »Womöglich musst du jetzt mal etwas Ungewohntes wagen. Genau wie ich. Bevor die besten Jahre verschwendet sind.«
Anscheinend hat es nicht nur mit Engel-Elke zu tun, dass Emma für den Hauskauf plädiert – sondern vor allem damit, dass sie mich so gut kennt und nicht mehr mit ansehen kann, wie ich meine Träume wieder und wieder verschiebe.
»Verlockend wäre es schon«, sage ich heiser und wische über meine feuchten Augen.
Emma lächelt zufrieden.
»Iris, ich verspreche dir: An deinem fünfzigsten Geburtstag werde ich dir gehörig den Kopf waschen, wenn du dann immer noch ohne Familie dasitzt, nur weil du lieber gewartet hast!«
Ich lächle gerührt, denn ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Emma ihre Ankündigung in die Tat umsetzen würde. Und wie traurig sie dabei für mich wäre.
»Das möchte ich auf keinen Fall erleben.« Ich schniefe. »Da werde ich lieber etwas mutiger.«
»Ja!«, ruft Emma. »Du lebst mutiger – und ich einfacher. Wir unterstützen uns bei unseren neuen Lebensphilosophien. Wie wäre das?«, fragt sie.
»Tja, das wäre wahrscheinlich ganz gut«, sage ich und fühle mich einigermaßen bereit, mich drauf einzulassen. »Wenn es nicht bedeutet, dass ich mit Niklas das gelbe Haus kaufen muss.«
»Natürlich musst du nicht. Aber du schaust es dir wenigstens an. Abgemacht?«
Da ich nun unverhofft Emmas Unterstützung bei diesem Wagnis habe, verspüre ich mit einmal regelrecht Lust, genau das zu machen: es wenigstens anzuschauen.
»Ja«, antworte ich aufgeregt. »Abgemacht!«
Den Rest des Abends verbringen wir einträchtig bei einer extra einfachen Mahlzeit aus Graubrot mit Spiegelei bei der ich Emma von Felix’ Verlobung am Kaugummiautomaten erzähle – aber nicht von Brunos dreisten Zweifeln an Niklas’ als meinem potentiellen Lebenspartner. Und erst recht nicht von meiner Begegnung mit Gesine.
Nach dem Abendbrot begeben wir uns auf Computer-Recherche nach einer Einzimmerwohnung für Emma. Und auch für mich, denn eine Wohnung werde ich zumindest als Übergangslösung brauchen.
Vorm Zubettgehen zeige ich Emma noch die Broschüre, die Niklas mir gegeben hat. Sie gibt zu, dass das Haus wirklich zu gelb ist. Aber Größe, Ausstattung, Preis und Lage sind ihrer Ansicht nach in Ordnung. Ihr fällt sofort auf, dass Niklas’ Eltern gleich um die Ecke wohnen, und einen Moment denke ich, dass sie nun doch Bedenken haben wird. Aber sie sagt nur, dass sei ja noch ein weiterer Pluspunkt. Und was für ein Glück es ist, dass die Nienabers mir so sympathisch sind.
Irgendwann werde ich Emma reinen Wein über sie einschenken müssen.
In dieser Nacht träume ich, ich säße mit einem Mann, einem Jungen und einem Mädchen um einen Abendbrottisch mit lauter leckeren und gesunden Sachen. Sogar ein Haustier ist da, stelle ich verwundert fest. Ein ziemlich großer, dunkler Hund liegt neben meinem Stuhl. Durch die Terrassentür kann ich in unseren kleinen Garten sehen, in dem eine bunte Rutsche und ein Apfelbaum mit Schaukel stehen. Der Junge erzählt uns mit heller, begeisterter Stimme, wie er in der Pause beim Fußballspiel gleich mehrere Tore geschossen hat. Das kleine Mädchen hält seinen geliebten Kuschelbären auf dem Schoß und tut, als füttere es ihn. Ich lege zwei Stücke geschälten Apfel auf ihren Teller. ›Für dich und den Bären‹, sage ich. Das kleine Mädchen strahlt mich aus seinen runden, braunen Augen an.
Ich bin so glücklich, dass ich kurz wach werde.
Schade, denke ich, während ich wieder einschlafe, alles konnte ich ganz genau sehen. Nur den Mann nicht.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
W ie er es gestern an der Pforte des
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