Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
mich eindringlich an.
Ich fürchte, ich ahne langsam, worauf sie hinauswill.
»Verstehst du?«, fragt Emma. Sie wirkt so verlassen, wie sie hinter den aufgereihten Küchengeräten fast verschwindet und sich mit beiden Händen an die Tischkante klammert. »Die Frau hatte vollkommen recht! Ob es nun Engel gibt oder nicht. Auf jeden Fall waren ihre Worte damals ein, ein Zeichen, dass ich dringend mein Leben ändern muss.«
»Ein Zeichen?«
Wie kann sie so plötzlich von der kühl kalkulierenden Immobilienmaklerin zur metaphysischen Melanie mutieren?
»Ja«, sagt sie knapp und stur.
Der Wassserkocher blubbert, und ich bin heilfroh, dass ich Emma für einen Moment den Rücken kehren kann, um mich mit dem Aufgießen des Tees zu beschäftigen.
So wie ich meine beste Freundin kenne, wird sie umso stärker auf ihren Ansichten bestehen, je mehr ich versuche, sie davon abzubringen. Zudem ist es ja tatsächlich vonnöten, dass Emma sich bis auf weiteres von ihrem luxuriösen Lebensstil verabschiedet.
»Wie genau soll denn dein einfaches Leben aussehen?«, frage ich sie so ernsthaft wie möglich, schenke uns ein und setze mich ihr gegenüber an den Tisch.
»Nachdem alles verkauft ist, was ich nicht unbedingt brauche, werde ich mit dem Rest in eine …« Emma atmet ganz tief durch. »In eine Einzimmerwohnung ziehen.«
Unvorstellbar. Emma in einer Einzimmerwohnung.
Und eine WG mit mir ist ihr offenbar nicht in den Sinn gekommen.
»Aha«, sage ich.
»Damit ich diese gewaltige Umstellung durchhalte, hat mir die Heilerin wöchentliche Einzelsitzungen angeboten. Sie heißt übrigens Elke. Und die Sitzungen kriege ich wegen meiner katastrophalen Finanzen netterweise zum Sondertarif.«
Emma nippt vorsichtig an dem Tee, schüttelt sich dezent und schaut mich über den Rand der Tasse hinweg an.
»Du hast dich bei dieser Heilerin gemeldet, Emma? Und sie um Rat gebeten?«
»Warum denn nicht?«, sagt sie und schluckt. »Ich wusste nicht mehr ein noch aus! Ich musste mit irgendjemandem sprechen.«
Hätte ich mich nur gleich gestern Abend um Emma gekümmert! Ich hätte ahnen müssen, dass sie in ihrer Verzweiflung etwas Dummes macht.
»Ich verstehe«, sage ich betreten. »Wie hoch ist denn dieser Sondertarif?«
»Einhundert pro Sitzung«, sagt Emma mit dem Triumph einer erfolgreichen Schnäppchenjägerin in der Stimme.
Einhundert Euro. Klar, für Emma mit ihren Dreihundertfünfzig-Euro-Day-Spa-Besuchen ein super Sonderangebot. Aus meiner Sicht aber der Beweis dafür, dass diese Engel-Elke es selber nicht gerade auf einen genügsamen Lebensstil anlegt.
Und ich habe Emma in ihre Arme getrieben!
»Ich verstehe natürlich, wenn du dir in deiner Lage zusätzliche Hilfe holst, Emma«, sage ich.
Auch wenn eine Schuldnerberatungsstelle sinnvoller gewesen wäre als ein geldgieriges Medium mit einem zweifelhaften Draht zu Himmelsbewohnern.
»Aber du weißt, dass ich immer für dich da bin«, fahre ich fort.
Emma hebt ganz überrascht die Augenbrauen.
»Ja? Ist das so?«
Also – das finde ich jetzt doch etwas ungerecht! Hat Emma denn vollkommen vergessen, wie schlecht es mir gerade geht?
Jörg hat eine Neue! Ich habe kein Zuhause!
Wie sehr hat sie sich denn um mich gekümmert?
»Sicher ist das so«, antworte ich.
»Das war vielleicht mal, Iris«, sagt Emma. »Aber es ist nicht mehr. Nicht, seitdem du Niklas getroffen hast.«
Oh! Wie unfair! Natürlich habe ich wegen Niklas ein bisschen weniger Aufmerksamkeit für Emma gezeigt. Natürlich beschäftige ich mich mit dem neuen Mann in meinem Leben. Wie kann sie mir das denn vorhalten!
Immerhin nennt sie ihn jetzt nicht mehr diesen Niklas.
Ich schaue sie böse an.
»Du bist doch ausschließlich mit Verliebtsein beschäftigt, Iris«, sagt Emma. »Du schwebst nur noch auf Wolke sieben!«
Pah! Wolke sieben!
Wenn sie wüsste, wie dünnhäutig Niklas sein kann. Und wie fies seine Eltern sind. Und seine Schwester. Ich hatte noch gar keine Gelegenheit zu schweben! Ich bin doch nur damit beschäftigt, bloß keinen Fehler zu machen und mehr Gelassenheit zu entwickeln.
»Ach, Emma«, sage ich mit einem tiefen Seufzer – es ist ja meine eigne Schuld, dass sie von vielem keine Ahnung hat. »Du bist doch weiter meine beste Freundin. Auch wenn ich mich mal verliebe.«
Emma kneift ihre Lippen zusammen und blickt mich skeptisch an.
Von dem Tee hat sie inzwischen höchstens zwei halbe Schlückchen genommen.
»Ich weiß nicht, Iris. Vielleicht liegt es nicht nur an deiner neuen Liebe,
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