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Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)

Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)

Titel: Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Nelle
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arme Bruno muss wirklich verzweifelt sein, wenn er seine Kochkünste in die Waagschale wirft.
    »Ich habe sogar schon Kartoffeln besorgt.« Bruno ist ganz zufrieden mit sich.
    »Ist gut«, sage ich gerührt. »Ich bin um sieben da.«
    Auf jeden Fall rechtzeitig, um noch etwas anderes zu kochen, sollte Bruno es schaffen, den Auflauf zu vermasseln.

Dreiundzwanzigstes Kapitel
    O h, klasse.
    Mein Herz rast. Mein Magen ist ein brennender Knoten. Am liebsten würde ich weglaufen.
    Es ist genauso schrecklich wie das letzte Mal, als ich hier war.
    Ehrlich gesagt, es ist noch schrecklicher.
    Wie kann das sein?
    Den ganzen Weg über hatte ich den Eindruck, dass was dran ist an der Idee, am besten dahin zu gehen, wo die Angst ist. Mir war mit jedem Schritt klarer geworden, wie lächerlich diese Angst ist. Was können mir die Nienabers denn schon tun? All ihre Gemeinheiten bestehen schließlich nur aus Worten! Aus Worten, die ich einfach an mir abprallen lassen kann.
    He, es liegt nur an mir, ob ich sie abprallen lasse oder nicht! Hatte ich mir gesagt. Und mich immer mutiger gefühlt.
    He. Das klappt ja toll! Hatte ich gestaunt.
    Und dann stehe ich Punkt halb eins an dem Ort, an dem ich meiner blöden Angst eigentlich nur noch einen letzten vernichtenden Schubs verpassen will … und es klappt von einer Sekunde auf die andere überhaupt nicht mehr.
    Ein Blick auf die Kornblumen im Vorgarten – und wie mit einem hinterhältigen Fingerschnipp ist die Angst wieder da!
    Und zwar die ganze.
    Panisch wende ich meine Augen ab, bevor ich sie leichtsinnigerweise auch noch den Plattenweg hinunter bis zur düsteren Eingangstür des Souterrains wandern lasse.
    Verdammt. Weshalb rät einem diese dämliche Lebensweisheit, dass man zu den Nienabers gehen soll, aber nicht, was man tut, wenn man da ist?
    Ich schaue starr Richtung Straße.
    O Gott, hoffentlich sieht jetzt weder Isolde, Nadine oder der scheußliche Vater aus dem Fenster.
    O Gott, am liebsten wäre ich unsichtbar.
    O Gott, ich verhalte mich wie das Kaninchen vor der Schlange.
    Es ist lächerlich, peinlich.
    Ich schaue auf meine Uhr. Zwei Minuten nach halb eins.
    Ich hole tief Luft.
    Gut.
    Jeden Moment wird Niklas mich erlösen.
    Angespannt lausche ich auf ein Geräusch, das ankündigt, dass er sich von der Wohnung her nähert. Er – oder ein anderer Nienaber …
    Denk bloß nicht an die Nienabers, ermahne ich mich.
    Aber ich sehe sie bereits vor mir. Wie sie sich in aller Ruhe hinter meinem Rücken heranpirschen können. Weil ich mich nicht traue, mich umzudrehen!
    Ich ringe meine feuchten Hände.
    Denk an was anderes, sage ich mir und versuche, ruhiger zu atmen.
    Denk an Niklas.
    Niklas kommt wahrscheinlich gar nicht aus der Wohnung. Genau. Wahrscheinlich kommt er die Straße hinunter. Richtig. Er hat ja gesagt, dass er bis mittags zu tun hat. Ja.
    Wieder sehe ich auf die Uhr.
    Was? Immer noch zwei nach halb?
    Ich schüttle die Uhr. Ist die kaputt?
    Ich steh hier doch schon eine Ewigkeit.
    »Iris!« Niklas’ Stimme erklingt plötzlich auf der anderen Straßenseite.
    Aufgescheucht blicke ich hoch und sehe, wie er sich dynamisch zwischen zwei parkenden Autos hindurchschlängelt und mir charmant zulächelt.
    »Nik-las!«, rufe ich erleichtert.
    »Na, wie geht es dir?«, fragt er und kommt mit einem kleinen, jugendlichen Hüpfer vor mir zum Stehen.
    »Gut. Sehr gut«, versichere ich ihm.
    Auch wenn ich ziemlich erschüttert bin, wie kläglich mein Angst-Experiment gescheitert ist.
    »Du bist sicherlich schon ganz gespannt auf das Haus!«, ruft Niklas.
    Das Haus. Das hatte ich völlig vergessen.
    »O ja«, sage ich.
    Herrgott. Das alles wegen den Nienabers.
    »Ist irgendetwas nicht Ordnung?« Niklas schaut mich besorgt an. »Du siehst unheimlich blass aus, Iris.«
    Ich seufze leise.
    Soll ich Niklas vielleicht einfach sagen, was los ist?
    Damit er mir hilft?
    Nein. Nein.
    Ich kann doch nicht erwarten, dass er mich vor seiner eignen Familie rettet! Mit der muss ich selber fertig werden.
    »Es ist alles in Ordnung. Ich … ich kriege wohl zurzeit nicht genug Vitamine.«
    Dabei habe ich Emma und mir am Morgen noch Orangen frisch gepresst.
    »Soll ich dir rasch einen Apfel holen, ja?«, fragt Niklas. »Meine Mutter hat sicher welche da.«
    »Nein, nein. Schon gut!« Das ist mir so rausgerutscht.
    Niklas sieht mich verwundert an.
    »Ich bin allergisch gegen Äpfel«, erkläre ich ihm.
    Was überhaupt nicht wahr ist.
    Wenn das so weitergeht, werde ich Niklas ständig anlügen müssen.

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