Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
Nur wegen seiner Familie.
»Aha.« Niklas scheint das für eine wichtige Information zu halten.
»Ach, komm. Lass uns gehen«, sage ich und hake mich bei ihm unter.
»Du Arme. Der kleine Spaziergang bis zur Neubausiedlung wird dir bestimmt guttun.«
Sehe ich so mitgenommen aus? Niklas tut ja, als sei ich krank.
»Ja, bestimmt«, sage ich irritiert, und wir machen uns auf den Weg.
Die alten Kastanien, die in Schwachhausen in fast allen Straßen wachsen, stehen in voller Blüte. Dankbar ziehe ich ihren Duft ein. Das tut tatsächlich gut. Und dass uns die Nienabers nun nicht mehr sehen können.
Niklas schaut mich zufrieden an.
»Genau«, sagt er. »Schön tief durchatmen. So ist es richtig.«
Ich bin in Gedanken schon wieder bei seinen Eltern.
Auch wenn ich es mir kaum eingestehen mag: Ich bin zu feige, um sie heute zu treffen. Für ein Treffen mit ihnen bräuchte ich erst mal einen Plan. Und zwar einen, der in aller Ruhe bis zu Ende gedacht ist – das heißt, ich muss es irgendwie schaffen, die Hausbesichtigung mit Niklas zu beenden, bevor sie aufkreuzen.
Wir biegen um eine Ecke. Hier stehen keine Kastanien mehr.
»Gleich sind wir da!« Niklas zeigt auf eine lange Reihe schmaler gelber Häuser mit nackten Vorgärten. Etwa die Hälfte ist noch im Rohbau.
Ich lächle ihn an.
»Das ist schön«, sage ich und komme mir völlig verlogen vor.
Niklas lässt mich los und läuft das letzte Stück voraus bis zu einem Haus, das ziemlich in der Mitte der eintönigen Reihe steht und die Nummer 53 hat. Er winkt mir aus dessen winzigem Garten zu.
Ich gebe mir Mühe, beschwingt zurückzuwinken. Da die Besichtigung nun leider sehr kurz sein wird, sollte ich wenigstens alles tun, um Niklas mein grundsätzliches Interesse zu zeigen.
Immerhin ist Nummer 53 keines von den Häusern, die sich noch im Rohbau befinden.
Unruhig blicke ich wieder auf meine Uhr. Zehn vor eins. Wenn ich nur wüsste, wann genau Niklas’ Eltern auftauchen werden. Ob ich mir bis um eins Zeit lassen kann?
Je näher ich komme, desto kleiner erscheint mir das Haus und desto greller sein Gelb. Aber vielleicht kommt mir das auch nur so vor, weil ich nicht bei der Sache bin.
Niklas nimmt mich strahlend in Empfang, legt ganz fest seinen Arm um meine Schulter und zieht mich an seine Seite.
Sofort geht es mir besser.
Ich schließe kurz die Augen.
Ah.
Das ist etwas, was ich Emma erzählen kann, wenn sie mich wieder fragt, ob er irgendetwas Romantisches getan hat!
Ich lehne meinen Kopf an Niklas’ Schulter.
Dann blicke ich hoch in sein Gesicht. Es ist ganz nah an meinem. So nah, dass ich seinen Atem an meiner Wange spüre. Seine dunkelblauen Augen sind genau auf meine gerichtet.
Oh, es ist einfach wunderbar. Hier in seinem Arm.
Ich fühle mich so geborgen.
Und gewollt.
Ein leichtes, warmes Kribbeln steigt in meine Lippen.
Mein Herz pocht lauter. Mein Blick hängt gebannt an Niklas’ Gesicht.
Er lächelt mich freundlich an.
Dann nimmt er seinen Arm von meiner Schulter und schaut weg.
Aber …
Verdutzt öffnen sich meine Lippen, die jetzt nicht mehr kribbeln.
Aber hat er denn gar nichts gespürt?
Kein Kribbeln … kein Pochen …
›Nein, Iris, hat er nicht‹, höre ich Emmas Stimme – oh, ich hätte eben nicht an sie denken sollen! ›Herrgott, das darf doch nicht wahr sein! Weshalb versucht er nicht mal, dich zu küssen? Wenn er sogar ein Haus mit dir kaufen will?‹
Leicht verstört mustere ich Niklas von der Seite.
Er blickt angespannt Richtung Neubau.
Was ist denn los mit ihm?
Er sieht ja richtig verlegen aus.
O… oje!
Ich verstehe.
Niklas ist schüchtern! Viel, viel schüchterner, als man denken würde. So ist es! Ich habe ihn in Verlegenheit gebracht.
Niklas ist eben kein cooler Macho-Typ wie Jörg.
Gott sei Dank, sage ich nur.
»Niklas«, sage ich gerührt und zeige auf das Haus. »Das ist es also!«
Er blickt mich an.
Dann räuspert er sich und lächelt.
Fast so selbstsicher wie sonst.
»Ja, das ist es. Was sagst du?«, fragt er mich stolz.
Nun ja … ich finde es … schon ein wenig enttäuschend.
»Es ist … schön klein … und schön gelb.«
Na, bitte! Ziemlich ehrlich. Und trotzdem positiv.
Niklas sieht jedenfalls zufrieden aus.
»Ja«, sagt er. »Genau.«
Siedend heiß fällt mir ein, dass wir keine Zeit vertrödeln dürfen.
»Schließ doch schon mal auf«, sage ich leicht panisch. Zum Glück hört es sich an, als könne ich es gar nicht abwarten, diese Perle von Neubau endlich von innen zu
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