Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
ebenfalls und winke auch noch mal.
Herrgott, weshalb kommen sie nicht einfach durch die Terrassentür herein? Wie lange wollen sie denn noch winken?
»Warum gehen wir nicht einfach zu meinen Eltern nach draußen?«, sagt Niklas hinter mir. »Dann brauchst du dich nicht länger per Winken mit ihnen zu verständigen, Iris.«
Ich drehe mich um.
Er und Nadine sehen mich an, als hätte ich mich lächerlich gemacht. Und als sei ihnen das peinlich für mich.
»Sicher«, murmle ich. »Gute Idee.«
Wieso bin ich da nicht selber draufgekommen?
»Dann können wir uns gleich mal die tolle Terrasse ansehen, Iris«, ruft Nadine wie die Maklerin einer Edel-Immobilie.
Eigentlich würde ich mir lieber das Wohnzimmer noch etwas genauer anschauen. Es kommt mir furchtbar mickerig vor. Im Rausgehen lasse ich rasch meinen Blick durch den Raum schweifen. Das sind ja höchstens fünfzehn Quadratmeter! Wie soll denn hier eine Familie mit zwei Kindern Platz finden?
Zwei Kinder?
Ich schüttle verdutzt den Kopf.
Ich kann mir doch nicht einfach zwei Kinder vorstellen!
Oder überhaupt Kinder.
Oder einen großen, schwarzen Hund.
Verdattert bleibe ich stehen.
Wie komme ich denn jetzt auf den?
»I-ris«, ruft Niklas’ Mutter von draußen und reißt mich aus meinen Gedanken.
Widerwillig trete ich auf die Terrasse. Die ist immerhin etwas großzügiger bemessen. Der Garten ebenfalls.
Niklas’ Vater, dessen Vornamen ich bei unsrem ersten Treffen leider nicht erfahren habe, begrüßt mich mit einem kurzen Nicken und einem knappen Grunzgeräusch. Isolde dagegen prescht auf mich zu und streckt mir beide Hände entgegen.
»Iris! Ich muss dir sagen, ich bewundere dich, mein Kind«, ruft sie und nickt heftig zu ihren Worten.
»Ja?« Automatisch ergreife ich ihre Hände.
Wie schön wird es sein, sie wieder loszulassen.
»Natürlich! Du bist ein so selbstbewusstes Mädchen«, erklärt sie und lächelt gütig. »Also, ich hätte mich das nicht getraut. Nach einem so, so ungewöhnlichen Abgang einfach wiederaufzutauchen und freundlich zu winken und zu lächeln, als wäre nichts geschehen. Das nenne ich selbstbewusst.«
Ich starre sie mit offenem Mund an. Durch meinen Kopf schießen alle möglichen Gedanken. Meint sie das ernst? Ist sie wirklich so nett, wie sie tut? Hat sie sich letzten Sonntag nur so fies benommen, weil sie todkrank und deshalb manchmal verbittert ist?
Ist das jetzt eine von ihren anderen Seiten?
»So selbstbewusst«, wiederholt Isolde. »Wie ihr jungen Leute mit solchen Situationen umgeht! Toll!«, fügt sie hinzu, drückt zur Bekräftigung meine Hände – und lässt sie einfach wieder los!
»Na ja«, sage ich.
Wenn sie wüsste.
Über die Schulter werfe ich einen verlegenen Blick zu Niklas und Nadine, die inzwischen auch nach draußen gekommen sind.
»Sei doch nicht so bescheiden, Iris«, sagt Nadine und lehnt sich gegen die gelbe Mauer des winzigen Geräteschuppens, der direkt an der Terrasse steht.
»So ist Iris aber nun mal«, sagt Niklas. »Und ich finde das wunderbar!«
Er zwinkert mir zu, als bewundere er mich für noch ganz andere Dinge – Dinge, von denen die übrigen Nienabers nichts wissen.
Ich muss lächeln. Ach, er ist so charmant.
»Ist das nicht eine super Terrasse? Und mit dem Garten lässt sich doch auch was anfangen, oder?« Nadine legt für einen Moment freundschaftlich ihre Hand auf meine Schulter.
Erstaunt stelle ich fest, dass ich keinen Drang mehr verspüre wegzulaufen.
»Ja, der Garten ist okay«, sage ich und sehe mich um. »Bestimmt viel Arbeit, bis alles schön grün ist. Aber Platz gibt es hier auf jeden Fall genug.«
»Hm«, macht Nadine und grinst. »Platz für mehr als zwei! Nicht wahr?«
Ich blicke sie überrascht an.
»Ach, ich wär ja sooo gerne Tante«, flüstert sie mir ins Ohr und gluckst wie eine gutmütige Junghenne. »Ich liiiebe Kinder!«
Sie sieht derartig wohlwollend aus, dass ich mich kurz frage, ob es im Nienaber’schen Souterrain vielleicht noch einen bösartigen Zwilling von ihr gibt.
»Ich auch«, flüstere ich kichernd zurück.
Als sei Nadine eine Art Freundin!
Wenn das so weitergeht, bin ich locker in der Lage, diese Hausbesichtigung durchzuhalten. Was für ein Segen, dass die Nienabers mir heute gleich ohne Unterlass ihre anderen Seiten präsentieren!
Nur Niklas’ Vater – der wirkt immer noch ziemlich unbeteiligt. Er steht am Rande der Terrasse, beide Hände in den Taschen seines zu dicken, grauen Mantels vergraben.
Und was macht er da
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