Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
ich Niklas trauen kann.
Oder …
Mir wird eiskalt.
… oder nicht.
Niklas nickt sofort.
»Das ist eine sehr gute Idee, Iris.« Er lächelt.
Erstaunt sehe ich ihn an.
Er schaut nach oben.
Ich folge seinem Blick. Am Horizont türmen sich blaugraue Gewitterwolken vor einem schwefelgelben Himmel.
»Oh«, sage ich.
Bestens. Bei so einer Wetterlage hat Niklas natürlich volles Verständnis für meinen Sinneswandel.
»Schade.« Niklas zuckt bedauernd mit den Achseln.
»Ja, wirklich schade«, sage ich lächelnd.
»Alles in Ordnung zwischen uns?«, fragt Niklas leise und wirkt mit einmal angespannt.
Ich zögere nur ganz kurz.
»Ja. Sicher«, sage ich und nicke.
Alles in Ordnung. Es ist doch niemals alles in Ordnung.
Aber gut möglich, dass letzten Endes alles ausreichend in Ordnung ist! Und mehr kann man nicht erwarten. Oder etwa nicht?
»Gut«, sagt Niklas und streckt mir die Hand hin. »Dann bis morgen, Iris.«
Ich ergreife sie und merke, dass sie feucht ist.
Er lässt mich schnell los.
Ich gebe mir einen Ruck und halte Isolde halbherzig meine Hand hin.
»Auf Wiedersehen«, sage ich, obwohl ich auf ein solches in Zukunft gut verzichten könnte.
Isolde lächelt mich an, als hätten wir eben das reizendste Pläuschchen gehalten, und umfasst einige Sekunden meine Hand mit ihren beiden.
»Auf Wiedersehen, mein liebes Kind«, sagt sie und drückt mir blitzschnell einen Kuss auf die Wange.
»Ah!«, mache ich ebenso überrumpelt wie angewidert.
Gerade noch gelingt es mir, mich so weit zusammenzureißen, dass ich mich weder schüttele noch mir die Wange abwische. Völlig verkrampft lächle ich Niklas und seine Mutter an.
»Also dann«, stoße ich hervor und drehe mich hastig zur Straße.
Mit wenigen Schritten bin ich auf dem Gehweg. Obwohl ich am liebsten durchstarten würde, zwinge ich mich nach ein paar Metern, mich noch mal kurz umzudrehen und den beiden zuzuwinken.
Oh.
Niklas und seine Mutter sehen so verloren aus, wie sie dort in dem öden Garten vor dem hässlichen Haus stehen und schweigend zurückwinken, dass es mir einen Stich versetzt.
Was ist, denke ich überrascht, während ich weitergehe, wenn die beiden heute eigentlich etwas ganz Normales gemacht haben, als sie über mich geredet haben? Wenn Isolde sich benommen hat, wie jede andere besorgte Mutter?
Sind die Nienabers vielleicht einfach nur eine normale Familie?
Und ich erkenne das nicht, weil ich nie wirklich eine gehabt habe?
O Gott!
Womöglich erwarte ich viel zu viel von ihnen.
Womöglich bin ich wirklich naiv.
Neunundzwanzigstes Kapitel
I ch ignoriere das leise Donnergrollen, die ersten fernen Blitze und den sanft einsetzenden Gewitterregen, während ich in verworrene Gedanken versunken nach Hause laufe. Als ich in die Straße komme, in der Emma wohnt – noch wohnt –, kracht über mir ein gewaltiger Donner, gefolgt von einem grellen Blitz und einem prasselnden Guss riesiger, dunkelgrauer Regentropfen.
»Verdammt«, fluche ich und spurte den Bürgersteig hinunter.
Vor dem Eingang angle ich hastig den Schlüssel aus der Handtasche, öffne die massive Haustür und flüchte mich in das vornehme Treppenhaus.
Ich schüttle mich. Aus meinen Haaren fliegt trotz ihrer Kürze jede Menge Regenwasser. Ich sehe an mir herunter. Der Spurt hat überhaupt nichts genützt. Ich bin klatschnass! Und in die Tragetasche mit den Trüffeln ist so viel Regen gelaufen, dass der Präsentkarton durch die Mischung aus Gartenstaub und Wasser gräulich marmoriert ist. Als ich die Treppe hochsteige, geben meine Sandalen bei jedem Schritt saugende Quietschgeräusche von sich.
Oben angekommen, ziehe ich sie aus, um nicht auch noch Emmas Teppich zu ruinieren wie zuvor mit dem rosa Kaugummi von Jörgs Neuer. Dann schließe ich auf. Doch in dem Moment, in dem ich die Tür aufstoßen will, wird sie bereits von innen geöffnet.
Emma sieht mich durch den Türspalt an – offenbar hat sie mich abgepasst.
Aber warum nur?
Sie lächelt spitzbübisch.
Von draußen dröhnt ein mächtiger Donner.
Wir zucken beide zusammen.
Mit meinen Schuhen in der einen und der Trüffel-Tasche in der anderen Hand warte ich, dass Emma die Wohnungstür freigibt.
Sie legt ihren Zeigefinger auf ihre Lippen.
»Was ist denn los?«, flüstere ich.
O nein. Bloß nicht wieder ihr fieser Ex-Boss!
»Pssst!«, macht Emma, grinst und macht die Tür auf.
Wohl nicht ihr Ex-Boss, so wie sie sich freut.
Emma packt mich am Arm und zieht mich in ihr inzwischen sehr karges Wohnzimmer
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