Hier und jetzt
hochzuschieben und sie zu nehmen. Und sie fragte, warum er zornig war?
Sie brauchte einen Mann, dem sie vertrauen konnte. Aber nicht einmal er selbst vertraute sich. Es war höchste Zeit, dass er sich zurückzog und die Lage und sein Ziel überdachte, auch wenn sich ein Teil seines Ichs dagegen wehrte. Er war schon immer ein widersprüchlicher Mensch gewesen, eine Folge der chaotischen Verhältnisse in seiner Familie. Um sich zurechtzufinden, hatte er seinen Verstand einsetzen müssen. Auf diese Weise ließen sich Unsicherheit und Ungewissheit besser bewältigen. Und so hatte er gelernt, sich Ziele zu setzen und sie geradlinig anzusteuern.
Claire unterbrach seine Überlegungen. „Mein Haus ist dort vorne links, das mit der runden Auffahrt.”
Ihr Cousin hatte die Außenbeleuchtung eingeschaltet, aber auch im Haus brannte Licht.
Jacob bog in die Einfahrt und stellte den Motor ab. „Ich komme mit hinein.”
Sie öffnete den Sicherheitsgurt und warf Jacob einen amüsierten Blick zu. „Ich wollte Sie ohnedies einladen.”
„Drinnen brennt Licht”, bemerkte er, während er um den Wagen herumging.
„Danny hütet für mich das Haus.” Es klang herausfordernd, und sie wirkte verkrampft.
Offenbar erwartete sie, dass er eifersüchtig wurde, und sie hatte Grund, die Eifersucht eines Mannes zu fürchten. „Man sollte ein Haus nie allein lassen”, sagte er sanft.
„Genau das denke ich auch.” Claire warf ihm einen prüfenden Blick zu. „Danny ist mein Cousin.”
„Mit dem Sie zusammen aufgewachsen sind?”
„Ja, er …” Sie stockte, denn die Tür schwang auf, als sie den Schlüssel ins Schloss schieben wollte. „Das ist aber merkwür dig.”
Jacob handelte instinktiv und stellte sich schützend vor sie.
„Jacob”, sagte sie ängstlich, „wenn jemand eingedrungen ist, sollten wir die Polizei rufen.”
„Gute Idee. Mein Handy liegt im Wagen.” Mit einer Hand stieß er die Tür ganz auf und hielt Claire mit der anderen zurück. „Bleiben Sie hier.”
„Danny ist im Haus.”
„Möglich. Ich sehe nach. Sie rufen die Polizei.” Er lauschte angestrengt, hörte jedoch nichts.
Durch ein Fenster genau gegenüber der Haustür blickte man in einen kleinen, erleuchteten Innenhof. Auf der einen Seite der Diele begann ein Korridor, auf der anderen sah Jacob einen Durchgang. Dahinter brannte ebenfalls Licht.
„Bleiben Sie hier”, wiederholte er.
Sie widersprach nicht, aber sie ging auch nicht zum Wagen, sondern hielt sich hinter ihm.
Jacob erreichte den Durchgang und stockte.
Es war ein schönes Wohnzimmer gewesen mit weißen Wänden, dunklen Holzregalen und Glastischen. Weich gepolsterte Sofas in leuchtendem Blau standen auf einem hellgrünen Teppich.
Jetzt war es das reinste Chaos. Die Stereoanlage war umge worfen worden, die einzelnen Geräte waren auf dem Fußboden verstreut. Eine Lampe lag zerbrochen im Kamin. Der Glastisch war gesplittert.
Und dann sah Jacob das Blut.
Blut an der weißen Wand. Blut auf dem hellen Teppich. Die Spur führte zu einem Mann, der reglos vor dem Durchgang am anderen Ende des Zimmers lag.
Claire rang erstickt nach Luft.
Sie hatten Danny gefunden.
7. KAPITEL
Der Warteraum neben dem Operationssaal war in Beige gehalten. Nur die Lampe auf dem Tisch und die Magazine sorgten für ein bisschen Farbe.
Die sterile Kleidung des Chirurgen, der soeben hereinkam, war blau. Er sprach mit einem älteren Paar, das schon hier gewartet hatte, als Claire mit Jacob eintraf. Der Mann war untersetzt und hatte eine beginnende Glatze. Sein Gesicht war unbewegt, und er drückte die Hand seiner dicken Frau. Sie war sehr blass, und man sah ihr an, dass sie geweint hatte.
Nur Schwerverletzte wurden nach Mitternacht operiert. Danny war jetzt schon wie lange im OP? Claire sah zur Wanduhr über dem Kopf des Arztes. Erst seit einer Dreiviertelstunde?
Die Uhr stand bestimmt. Es mussten Stunden vergangen sein.
Jacob war nicht von ihrer Seite gewichen, seit sie Danny ge funden hatten. Er saß auch jetzt neben ihr und beantwortete die Fragen, die ihm die Polizistin stellte. Claire hörte nicht hin.
Sie hatte die gleichen Fragen bereits beantwortet.
Jacob hatte alles in die Hand genommen und sich auch um die Anmeldung im Krankenhaus gekümmert. Er sprach nicht mit ihr, doch er war bei ihr. Sie konnte sich an ihn lehnen. Er hatte sich sogar um ihre Katze gekümmert beziehungsweise es wenigstens versucht.
Sie betrachtete die drei Kratzer auf seinem Handrücken. Sheba hatte sich von Jacob
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