High Fidelity (German Edition)
meiste Zeit meinen Platz auf dem Sofa nicht wert bin und sitze Clara und Nick und Barney und Anna aus. Als sie weg sind, wird mir klar, daß ich die ganze Zeit getrunken habe, anstatt zu reden und folglich nicht mehr geradeaus sehen kann.
»Ich habe recht, oder nicht?« fragt Charlie. »Sie ist genau dein Typ.«
Ich zucke die Achseln. »Sie ist jedermanns Typ.« Ich genehmige mir noch etwas Kaffee. Ich bin betrunken, und es scheint mir das beste zu sein, mit der Tür ins Haus zu fallen. »Charlie, warum hast du mich wegen Marco abserviert?«
Sie sieht mich böse an. »Ich wußte es.«
»Was?«
»Du hast doch eine von diesen Welchen-tieferen-Sinn-hat-das-alles-Krisen.« Sie sagt »Welchen-tieferen-Sinn-hat-das-alles?« mit amerikanischem Akzent und hebt eine Braue.
Ich kann ihr nichts vorlügen. »Habe ich wirklich, ja. Ja, tatsächlich. Und nicht zu knapp.«
Sie lacht – über mich, glaube ich, nicht mit mir – und spielt dann an einem ihrer Ringe.
»Du kannst sagen, was du willst«, versichere ich ihr generös.
»Irgendwie verliert sich das heute alles im … undurchdringlichen Dunkel der Geschichte.« Das von dem »undurchdringlichen Dunkel der Geschichte« sagt sie ohne erkennbaren Grund in irischem Akzent und wedelt mit der Hand vor ihrem Gesicht, vermutlich, um die Undurchdringlichkeit des Dunkels anzudeuten. »Es war nicht, weil Marco mir besser gefallen hätte, ich fand dich haargenauso attraktiv.« (Pause) »Nur daß er wußte, daß er ein Hübscher war, und du nicht, und das gab irgendwie den Ausschlag. Du hast dich immer benommen, als sei es leicht verschroben von mir, mit dir zusammensein zu wollen, und das wurde irgendwie ermüdend, weißt du, was ich meine? Dein Selbstbild fing an, auf mich abzufärben, und am Schluß fand ich mich verschroben. Und ich wußte, daß du lieb warst und aufmerksam, und du hast mich zum Lachen gebracht, und ich liebte es, wie du in den Dingen, die du liebst, aufgehen konntest, aber … Marco wirkte ein bißchen, ich weiß nicht, schillernder? Selbstsicherer … mehr ›in with the In-Crowd‹?« (Pause) »Weniger arbeitsintensiv, weil man mit dir seine liebe Not haben konnte.« (Pause) »Etwas sonniger, und etwas aufgekratzter.« (Pause) »Ich weiß nicht. Du weißt, wie Leute in dem Alter sind. Sie urteilen sehr oberflächlich.«
Was soll daran oberflächlich sein? Ich war und bin daher noch schwer von Begriff, ein Muffsack, lästig, unmodisch, unleidlich und gestört. Für mich ist daran nichts Oberflächliches. Das sind keine Fleischwunden. Das sind lebensbedrohliche Messerstiche in die inneren Organe.
»Findest du das verletzend? Er war eine Flasche, falls das ein Trost ist.«
Ist es mitnichten, aber Trost wollte ich nicht. Ich wollte die volle Packung, und die habe ich bekommen. Nichts von Alison Ashworths Kismet hier, nichts von Sarahs Geschichtsrevision, und keine Spur davon, ich hätte die ganze Abfuhrgeschichte in den falschen Hals bekommen, wie es mir bei Penny passiert ist. Nur eine völlig einleuchtende Erklärung dafür, warum manche Menschen es haben und andere nicht. Später, auf dem Rücksitz eines Minicab, geht mir auf, daß Charlie nichts anderes getan hat, als meine eigenen Vermutungen bezüglich meines genialen Talents zum Normalsein in ihren eigenen Worten zu bestätigen. Vielleicht war dieses spezielle Talent – zufällig mein einziges – ohnehin überbewertet.
B arrys Band hat einen Gig, und er will ein Plakat im Laden aufhängen.
»Nein. Schmink dir das ab.«
»Vielen Dank für die freundliche Unterstützung, Rob. Ich weiß es zu schätzen.«
»Ach, ich dachte, wir hätten eine Regel für Plakate von Scheißbands.«
»Ja, für Leute, die von der Straße reinkommen und uns löchern. Die ganzen Verlierertypen.«
»Wie … mal sehen. Suede, die du abgelehnt hast. The Auteurs. St. Etienne. Die Art Verlierer meinst du?«
»Was heißt hier Ich habe sie abgelehnt? Es war deine Regel.«
»Ja, aber du warst begeistert von ihr, oder? Es war dir ein Fest, die ganzen armen Kids abzuschmettern.«
»Na, dann hatte ich unrecht, oder? Jetzt mach schon, Rob. Wir brauchen die Stammkunden, sonst kommt überhaupt keiner.«
»Okay, wie heißt die Band? Wenn der Name ganz gut ist, kannst du ein Plakat aufhängen.«
Er hält mir ein Plakat unter die Nase – nur der Name der Band, mit ein paar Zierschnörkeln.
»›Barrytown‹. ›Barrytown‹? Hölle noch mal. Kennt deine Arroganz keine Grenzen?«
»Ist nicht wegen mir. Es ist der
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