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High Fidelity (German Edition)

High Fidelity (German Edition)

Titel: High Fidelity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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kilometerlange schwarze Haare, Tausende riesige Ohrringe, meterbreite rote Lippen, Hunderte weiße Zähne. Die in der weißen Seidenbluse rückt ein Stück auf Charlies ausladendem Sofa, das aus Glas oder Blei oder Gold zu sein scheint – aus irgendeinem einschüchternden, sofauntypischen Material jedenfalls –, und lächelt mich an, Charlie unterbricht die anderen (»Leute, Leute …«) und stellt mich dem Rest der Gesellschaft vor. Clara sitzt bei mir auf dem Sofa, wie es der Zufall will, haha, Nick ist der im ziegelroten Jackett, Barney der im Leinenanzug, Anna die in der Hose, die wie ein Kleid aussieht. Wenn diese Menschen sich jemals auf meiner Straße blicken ließen, müßte ich mich in meiner Wohnung verbarrikadieren.
    »Wir sprachen gerade darüber, wie wir einen Hund nennen würden, wenn wir einen hätten«, sagt Charlie. »Anna hat einen Labrador namens Dizzy, nach Dizzy Gillespie.«
    »Ach so«, sage ich. »Ich hab' für Hunde nicht viel übrig.«
    Eine Weile sagt keiner von ihnen einen Ton; schließlich gibt es ja auch nicht viel, was sie zu meiner mangelnden Begeisterung für Hunde sagen können.
    »Woran liegt's – Größe der Wohnung, Kindheitsängste, oder der Geruch, oder …«, fragt Clara betont liebenswürdig.
    »Weiß nich. Ich … mache mir halt nichts aus ihnen.« Ich zucke verzweifelt mit den Schultern.
    Sie lächeln höflich.
    Wie sich herausstellt, ist das mein Hauptbeitrag zur Konversation des Abends, und später erinnere ich mich dieser Bemerkung wehmutsvoll als einem Goldenen Zeitalter der Witzigkeit entstammend. Ich würde sie sogar noch mal bringen, wenn ich könnte, aber die restlichen Diskussionsgegenstände lassen mir keine Gelegenheit dazu – ich habe nicht dieselben Filme und Theaterstücke wie sie gesehen, und ich war nie an den Orten, die sie bereist haben. Ich finde heraus, daß Clara im Verlagswesen ist und Nick im PR-Geschäft. Ich finde heraus, daß Anna in Clapham lebt. Anna findet heraus, daß ich in Crouch End lebe, und Clara findet heraus, daß ich einen Plattenladen besitze. Anna hat die Autobiographie von John McCarthy und Jill Morrell gelesen; Charlie nicht, würde es aber sehr gerne, wird sich vielleicht sogar Annas Buch ausleihen. Barney war kürzlich Skilaufen. Wenn nötig, würden mir vielleicht noch ein paar andere Dinge einfallen. Ich jedenfalls sitze den meisten Teil des Abends da wie ein Pudding und fühle mich wie ein Kind, das zu einem besonderen Anlaß länger aufbleiben darf. Wir essen Zeug, das mir unbekannt ist, und entweder Nick oder Barney kommentieren jede Flasche Wein, die wir trinken, außer der, die ich mitgebracht habe.
    Der Unterschied zwischen diesen Menschen und mir ist, daß sie das College abgeschlossen haben und ich nicht (sie haben sich nicht von Charlie getrennt wie ich), infolgedessen haben sie Spitzenjobs und ich habe einen Scheißjob, sind sie reich und ich bin arm, sind sie selbstbewußt und ich bin zügellos, rauchen sie nicht und ich rauche, haben sie Meinungen und ich Listen. Könnte ich ihnen irgendwas darüber sagen, welche Reise den schlimmsten Jetlag macht? Nein.
    Könnten sie mir das Original-Lineup der Wailers nennen? Nein. Wahrscheinlich könnten sie mir nicht mal den Namen des Leadsängers nennen.
    Aber sie sind keine üblen Menschen. Ich bin kein Klassenkämpfer, und sie sind sowieso nicht übertrieben hochgestochen – wahrscheinlich haben sie auch Mütter und Väter aus der Umgebung von Watford oder etwas Entsprechendem. Will ich irgendwas von dem, was sie haben? Aber immer. Ich will ihre Meinungen, ich will ihr Geld, ich will ihre Klamotten, ich will ihre Gabe, sich über Hundenamen zu unterhalten, ohne rot zu werden. Ich will zurück nach 1979 und wieder ganz von vorne anfangen.
    Daß Charlie den ganzen Abend Schwachsinn redet, macht es nicht besser. Sie hört keinem zu, sie spielt sich auf beschränkte Art und Weise in den Vordergrund, sie legt sich alle möglichen unidentifizierbaren und unpassenden Akzente zu. Ich würde gerne sagen, diese Manierismen seien neu, aber das sind sie nicht, sie waren immer da, schon vor Jahren. Das Nichtzuhören habe ich mal mit Charakterstärke verwechselt, die Beschränktheit mißdeutete ich als Unergründlichkeit, die Akzente waren für mich Glamour und Drama. Wie war es mir gelungen, das alles in den dazwischenliegenden Jahren wegzuredigieren? Wie hatte ich es geschafft, sie zur Antwort auf alle Probleme dieser Welt zu stilisieren?
    Ich stehe den Abend durch, obwohl ich die

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