High Heels im Hühnerstall
hatte, der jedoch laut Grace’ Beschreibungen ein fürchterlicher Widerling sein musste.
»Nein, das war mein Schätzchen, meine kleine Claudette«, antwortete Grace. »Sie starb, keine drei Monate alt, an einer Lungenentzündung.« Sie lächelte Sophie an und klopfte sich auf die Brust, auf die Stelle, an der ihr Herz schlug. »Jetzt habe ich sie hier zusammen mit ihrem Dad. Ich habe Vincent geliebt. Ich habe ihn von ganzem Herzen geliebt. Hätte ich ihn in normalen Zeiten geliebt, wenn keine Bomben vom Himmel gefallen und keine Todeskommandos unterwegs gewesen wären? Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Sophie, der Trick besteht darin, zu lieben, solange die Liebe währt. Genieße sie, koste sie aus, feiere sie. Was soll’s, wenn du einen Mann heiratest, den du kaum kennst? Heirate ihn, solange du ihn liebst. Warum warten, bis er dich zu Tode langweilt?«
»Grace«, sagte Sophie, die Carmens Auto vorfahren hörte, »hat Ihnen irgendjemand je gesagt, wie fantastisch und mutig Sie waren, und hat man Ihnen dafür gedankt?«
»Wofür?« Grace schniefte und konzentrierte sich wieder auf den Fernseher. »Ich habe meine Pflicht getan, das ist alles, und ich hätte ihr gleich sagen können, dass er nicht der Vater ihres Babys ist. Schauen Sie sich bloß diese Nase an, was für ein hässliches Balg!«
»Du meine Güte«, sagte Sophie, als sie und Carmen die Plymouth Pavillons betraten, in denen die Hochzeitsmesse stattfand. Die riesige Halle war mit weißen und goldenen Ballons geschmückt, und ein Stand mit Hochzeitsartikeln reihte sich an den anderen, von Kleidern über Tischdekorationen bis hin zum romantischen Angebot, Tauben oder Skulpturen aus Heliumballons fliegen zu lassen. In der großen Halle drängten sich Frauen aller Altersgruppen, Mütter und Töchter, Schwestern und beste Freundinnen, alle mit diesem leicht irren Glitzern in den Augen, mit diesem speziellen Funkeln, das besagte: »Es wird eine riesige Party, die sich nur um mich dreht, und ihr könnt nichts dagegen unternehmen.«
Als Sophie ihren Blick über die wogende Besuchermenge schweifen ließ, machte sie ein paar genervt wirkende Männer aus, zumeist Väter, vermutete sie, aber möglicherweise auch den einen oder anderen Bräutigam in spe, der hinter seiner Frau her trottete wie ein Relikt aus alten Zeiten, als Männer lediglich vor dem Altar stehen und »Ja« sagen mussten.
»Schau dir das ganze Hochzeitszeug an und all diese Leute an, die sich das ansehen. Wer hätte gedacht, dass so viele Leuten heiraten?«, fragte Sophie.
»Ich weiß, und sie wirken auf mich alle ein bisschen unheimlich«, antwortete Carmen und hakte sich bei Sophie unter. »Was haben Hochzeiten bloß an sich, dass sie Frauen so wild werden lassen?«
»Ich weiß es nicht, aber was ist, wenn eine von denen mein Kleid entdeckt, bevor ich es finde?«, erwiderte Sophie, die ebenfalls dieses verrückte Glitzern im Blick hatte. »Wir müssen da jetzt rein.«
»In Ordnung«, sagte Carmen, als stünden sie im Begriff, sich aus dem Schützengraben zu wagen. »Ich bin Konditorin, und du warst die beste Organisatorin von Firmenveranstaltungen in London, Europa und Nordamerika. Du weißt alles, was man über die Planung von Partys wissen muss.«
»Du hast recht«, stimmte Sophie ihr zu. »Ich bin die Frau, die einst einen Buchstart in einem Heißluftballon organisiert hat, und vor zwei Jahren habe ich für ein russisches Energieunternehmen eine Satellitenverbindung zur russischen Weltraumstation hergestellt. Ich bin Sophie Mills, also hat keine dieser anderen Schlampen eine Chance.«
»Ich brauche Kuchen«, sagte Sophie, als sie mit zerzausten Haaren, verschmiertem Lippenstift und falsch zugeknöpfter Bluse aus der Kleiderabteilung auftauchte, als hätte sie gerade heimlich Sex gehabt, aber es war tausend Mal besser gewesen. Sie hatte Hochzeitskleider in jedem Stil anprobiert, der je auf den Markt gebracht worden war. Von der riesigen duftigen Meringue bis zu einem weißen Spitzenminikleid mit abnehmbarer Schleppe, das knapp bis zum Oberschenkel reichte, hatte Sophie alle anprobiert, und Carmen sicherheitshalber ebenfalls. »Schau, da ist die Abteilung für Hochzeitstorten. Komm, lass uns rübergehen und uns diese verdammten Kuchen anschauen. Meinst du, man kann Kuchen auch schnupfen wie etwa Kokain? Ich brauche eine Dosis Kuchen.«
»Ich dachte, du würdest auf Kuchen verzichten, weil dir gar nichts anderes übrig bleibt, wenn du dieses Minikleid tragen willst«, erklärte
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