High Heels und Gummistiefel
zurückkam. »Heu ... es tut mir leid – ich habe im Accessoireschrank nachgeschaut, und ich glaube, das, äh, das Ding, von dem Sie gesprochen haben, ist nicht da.«
Langsam drehte Savage sich in ihrem Regiestuhl aus schwarzem Leder um und starrte Isabelle durch die rosafarbenen Gläser ihrer gigantischen Sonnenbrille an. Sie sah aus wie ein höchst glamouröses und sehr zorniges Kaninchen. Dann nickte sie Paquita zu, der Stylistin, die neben ihr stand.
Paquita seufzte und schüttelte kurz ihre zahlreichen Armbänder. »Oh ja, nein, im Accessoireschrank ist das Ding auch nicht, Schätzchen«, sagte sie mit mitleidigem Blick. »Wenn ich du wäre, würde ich’s mal in der Küche versuchen, hmm? Aller Wahrscheinlichkeit nach findest du es auf der Teekanne.« Dann brach sie in langes, hohes Gelächter aus, und einen Augenblick später tat Savage es ihr nach. Die beiden wandten sich ab und konzentrierten sich wieder auf das Model, das teilnahmslos vor ihnen stand.
Als Isabelle in die Küche kam, fand sie dort Chrissie vor, der am Tresen lehnte und verstohlen einen Schokoladenkeks in eine Tasse Tee tunkte.
»Hallo, Herzchen. Sind Dorothy Discipline und ihre Schergen auf dem Kriegspfad?«
»Ja. Sie sind heute nicht besonders höflich. Chrissie, sie wollen etwas haben, was Ti, äh... cosi heißt. Klingt italienisch.«
Chrissie streckte den Arm über den Küchentresen, griff nach etwas, das aussah wie eine gestrickte Skimütze, und ließ es um den Zeigefinger kreisen. »Kinderleicht. Das hier ist das fragliche objet, Darling: Ich nehme doch an, es soll getragen werden?«, erkundigte er sich interessiert.
»Ja.«
»Großer Gott, Paquita hat’s wirklich drauf nicht wahr? Die spielt in einer ganz eigenen Liga – oder sollte man lieber ›Welt‹ sagen? Hier, Schätzchen, bring das Ding augenblicklich zu Savage, sonst schreit sie zetermordio, und das geht gar nicht, weil, meine Wenigkeit
hier fühlt sich heute Vormittag ein kleines bisschen angeschlagen .«
Isabelle eilte zurück ins Studio und hielt den Teewärmer in die Höhe.
»Ah, da ist sie ja«, bemerkte Paquita. »Wird auch Zeit. Oh, wow, Savage! Ich weiß, was wir machen! Soll das kleine Fischge-... ich meine, du da, Schätzchen, es doch mal probieren. Komm schon, setz Greta das Ding auf den Kopf.«
»Ich? Oh, ich weiß nicht...«
»Komm schon, komm schon – es muss wild, wild, wild aussehen.«
»Savage möchte wirklich gern, dass du es versuchst!«, drängte Savage erregt.
Isabelle trat zu dem Model, das eine völlig ausdruckslose Miene aufgesetzt hatte, und knetete dabei den Teewärmer mit beiden Händen. Sie musste daran denken, wie sie einmal mit Camille und Aude in dem Zoo im Bois de Vincennes gewesen war, als sie alle noch ziemlich klein gewesen waren, und wie sie zugesehen hatte, wie ein Mann eine Leiter hinaufgestiegen war, um den Kopf einer Giraffe zu waschen. Doch ehe sie fragen konnte, ob wohl eine Trittleiter (oder wenigstens ein oder zwei Bände der Encyclopœdia Britannica ) zur Hand wären, beugte das Mädchen die Knie, senkte den Kopf und ließ sich widerstandslos mit dem Teewärmer krönen.
»Oh, super, er passt«, verkündete Paquita erfreut. »Dem Himmel sei Dank, dass sie so einen winzig kleinen Kopf hat. Da sitzt noch keine Cellulite dran, wie, Schätzchen? Na, das ist mal’ne nette Abwechslung!«
Da sie nicht sicher war, was sie als Nächstes tun sollte, sie sich aber nur allzu deutlich der Tatsache bewusst war, dass irgendein mysteriöses Fashion-Statement von ihr erwartet wurde, rückte Isabelle den Teewärmer hierhin und dorthin.
»Oh, Schätzchen«, sagte Paquita herzlich. »Das ist einfach affengeil! Also , das kann unser Muster für die Produktion werden, denke ich, ja? Damit kannst du doch arbeiten, oder, Chrissie?«
»Auf jeden Fall«, beteuerte Chrissie, der hinter die anderen getreten war und klugerweise den Mund gehalten hatte.
»Savage will, dass der Hut mit Magic Mushrooms und blauen Raupen bestickt wird«, verkündete Savage.
»Oooh!«, jaulte Paquita auf. »Das ist ja so was von genial!«
Das Ereignis, das Isabelle in Savages Umlaufbahn katapultiert hatte, war Posys abrupter Abgang Anfang Januar gewesen. Nachdem sie fünf Jahre lang für die Designerin tätig gewesen war, hatte die zierliche kleine PR-Frau einen anderen Job angenommen, ohne auch nur zu kündigen, und so eine offene Stelle geschaffen, die einigermaßen dringend besetzt werden musste. Da ihm aufgefallen war, dass Isabelle seit ihrer
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