High Heels und Gummistiefel
Und«, fügte sie rasch hinzu, »Octave war eine große Hilfe. Weil, er war dabei, als ich gefallen bin, weißt du, und er hat mich ins Krankenhaus geschafft und mich dann nach Hause gebracht.«
Daisy warf Octave einen raschen Blick zu, der sie angrinste und sagte: »Ich gehe mal lieber in die Küche und schaue nach dem Rechten. Ich koche heute das Abendessen. C’est moi le chef!«
»Damit meint er, dass es Blinis gibt und tarama vom Traiteur und Salat aus der Plastiktüte«, meinte Marie-Laure lächelnd. »So was nennt Octave kochen.«
»Vielleicht kann ich ihm ja helfen«, schlug Raoul vor und folgte Octave.
Momentan verwirrt – worüber in aller Welt würden diese beiden sich in der Küche unterhalten? -, wandte Daisy sich wieder zu ihrer Freundin um.
»Eigentlich siehst du richtig gut aus, Marie«, meinte sie. »Du siehst aus... als ob dir etwas unglaublich Tolles passiert wäre.«
Marie-Laure biss sich auf die Unterlippe und warf einen raschen
Blick in Richtung Küche, ehe ein unwiderstehliches Grinsen sich auf ihren Zügen breitmachte. Daisy lächelte zurück.
»Was genau ist passiert?«
»Ach, ich bin einfach gestolpert und die Treppe hier runtergefallen. Ich habe nicht geschaut, wo ich hintrete.«
»Ein Glück, dass Octave dabei war.«
»Ja, das war wirklich Glück.«
Daisy streckte die Hand aus und tippte einen der Ohrringe ihrer Freundin an. »Oh, sind die hübsch! Woraus sind die? Koralle?«
»Ja.«
»Neu?«
»Nein, sie sind nicht neu. Eigentlich... weißt du, welche das sind?« Marie-Laure rückte ein wenig auf dem Sofa herum und wandte einen Augenblick lang den Blick von Daisy ab. »Das sind meine alten Ohrringe, die, die... ich verloren habe. Erinnerst du dich?«
»Die, die du verloren hast«, wiederholte Daisy langsam. »Oh. Aber das heißt doch nicht etwa... die, die Octave...«
»Ja. Er hat sie mir zurückgegeben.«
Daisy schwieg einen Moment lang, dann lächelte sie. »Bevor du die Treppe runtergefallen bist oder hinterher?«
»Vorher. Das war vor Weihnachten. Er ist einfach hier aufgetaucht, mit einem geradezu lächerlich riesigen Blumenstrauß«, berichtete Marie-Laure und streckte die Arme aus. »Und er war so süß, Daisy. Und ich glaube, es tut ihm wirklich leid, wie er sich benommen hat.«
»Dann war diese Überraschung, die mir auf deiner Silvesterparty präsentiert worden wäre, also...«
»Das mit Octave und mir.« Nunmehr ein wenig erregt, versuchte Marie-Laure, sich aufzusetzen. »Ich hab nicht gewusst, wie... ich es dir sagen sollte, weil ich Angst hatte, du wärst vielleicht...«
»Oh nein, nein! Mach dir deswegen keine Gedanken. Das war alles irgendwie in einem anderen Leben.«
»Und als du erzählt hast, dass du mit Raoul so glücklich bist...«
»Oh ja, das bin ich auch. Absolut. Vollkommen glücklich«, beteuerte Daisy und nickte immer wieder heftig.
»Er scheint wirklich nett zu sein.«
»Das ist er auch«, bestätigte Daisy und seufzte ganz leise. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, Marie-Laure wegen ihres Pornografie-Dilemmas um Rat zu fragen.
»Dann können wir ja im April alle zusammen auf den Ball gehen!«, rief Marie-Laure beglückt. »Das gefällt dir bestimmt, Daisy. Die Oper ist wunderschön.«
Daisy lächelte zurück und war mit ihren Gedanken ganz woanders. Octave war nicht mehr gewesen als eine Schwärmerei, das war ihr jetzt klar. Doch sie hatte das ungute Gefühl, dass das auf Raoul genauso zutraf. Vielleicht lag das Problem ja bei ihr. Vielleicht war sie einfach nicht fähig, einen Menschen richtig zu lieben.
Mittlerweile begann Marie-Laure zu lachen. »Weißt du, das war komisch, als ich hingefallen bin. Octave hat mich im ganzen Haus herumgejagt und mich abgekitzelt. Ich bin unheimlich kitzlig – das weiß er noch von früher, als wir klein waren. Ich habe so sehr gelacht, dass ich gar keine Schmerzen gespürt habe. Und dann hat er sich so lieb um mich gekümmert.«
»Das ist doch toll. Sag mal, was halten denn die anderen Pique - Assiettes davon?«
»Octave hat sich von der Confrèrie losgesagt. Mir zuliebe. Natürlich sind die anderen immer noch seine Freunde, aber...«
»Kein Wettbewerb mehr? Kein schwarzes Büchlein mehr? Keine Trophäen?«
»Nein. Weil wir«, schloss Marie-Laure schlicht, und ihr Gesicht strahlte, »die ganze Zeit zusammen sein wollen.«
Später, im Taxi nach Hause, als Raoul mit dem Kopf auf ihrer Schulter einnickte, starrte Daisy aus dem Fenster und lächelte wehmütig. Es war schön gewesen,
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