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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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verblüfft über sich selbst, war Isabelle anderer Meinung gewesen als ihre Freundin.
    »Zum einen«, hatte sie der erstaunten Agathe mitgeteilt, »muss ich um diese Zeit sowieso in Paris sein, wegen eines Termins mit Professeur Sureau. Und außerdem, Clothaire hin oder her, ich mag diesen Ball wahnsinnig gern. Ich freue mich das ganze Jahr darauf, und ich werde hingehen.«
    »Ist das nicht ziemlich egoistisch?«, hatte Agathe pikiert gefragt.
    Natürlich war ihre liebe Agathe verdutzt: Sie wusste nichts von
Clothaires Untreue oder davon, dass Marie-Laure möglicherweise etwas mit ihm gehabt hatte. Isabelle zog in derartigen Angelegenheiten stets Diskretion vor, und sie hatte keins von diesen Themen ansprechen wollen. Jetzt, wo sie mit Tom zusammen war, war es ohnehin unerheblich.
    »Und ich bringe Tom mit«, fuhr Isabelle fröhlich fort. »Auf die Weise kann er euch alle kennenlernen.«
    Wenn sie jetzt ein Bild von sich selbst auf dem Ball heraufbeschwor, dann befand sie sich darauf in Toms Armen, und das fühlte sich an wie das Natürlichste der Welt.
     
    Und so standen drei Wochen später Isabelle, Tom, Jules und Chrissie an einem schönen, sonnigen Tag um die Mittagszeit vor dem Gare du Nord, nachdem sie im Eurostar unter dem Kanal hindurchgesaust waren.
    »Wir treffen uns heute Abend um sechs auf einen Drink, okay?«, sagte Isabelle. »Und dann fahren wir zur Oper.«
    »Alles klar, Schätzchen«, ließ sich Chrissie hinter einer riesigen Flieger-Sonnenbrille hervor vernehmen. »Komm, Jules, meine Süße. Wir haben lebenswichtiges Shopping zu erledigen, und wir sollten lieber tout de suite die Hufe schwingen: In einer Stunde treffen wir uns mit Daisy bei Anouk. Also, wo kriegt man denn hier wohl ein Taxi?«
    »Da, wo ›Taxis‹ dransteht, du Trottel«, antwortete Jules mit monotoner Stimme. »Du kannst mit dem Ding da überhaupt nichts sehen, stimmt’s? Außerdem siehst du damit aus wie irgendwas aus Die Fliege.«
    »Gar nicht wahr! Ich sehe damit aus wie der absolute Gipfel de la fachonne. Isabelle?«
    »Trés chic«, bestätigte Isabelle lachend.
    Während sich Jules und Chrissie auf den Weg zu ihrem Hotel
machten, gingen Isabelle und Tom in ihre Wohnung, die Daisy freundlicherweise für diesen Abend geräumt hatte; sie würde bei Anouk übernachten. Als sie durch die sonnigen Straßen zur Rue de la Harpe fuhren, dachte Isabelle, dass sie sich wirklich darauf freute, Daisy endlich persönlich kennenzulernen. Sie verdankte ihr eine Menge.
    Als sie in ihrer Wohnung angekommen waren und Tom unter der Dusche stand, öffnete Isabelle ihren Koffer und holte ihr Ballkleid und die blaue Mappe hervor, welche The Splodge enthielt, dessen Seiten sie und Tom eine nach der anderen gewissenhaft gebügelt hatten. Ersteres hängte sie auf einen Bügel und schüttelte die Falten heraus, und Letzteres legte sie auf ihrem Schreibtisch für den Termin bei Professeur Sureau am Montagmorgen bereit. Sie hatte ihm sämtliche, bisher geschriebenen Kapitel ihrer Doktorarbeit zum Lesen gegeben, und er wollte ihr das eine oder andere dazu sagen. Er hatte ja keine Ahnung, dass sie ihm ihre allerneuste, umwerfende Entdeckung bringen würde! Auf die Meldung hin, dass sie The Splodge endlich gefunden hatte, hatte Agathe ihr gratuliert und plötzlich sogar nichts mehr dagegen gehabt, dass Isabelle Tom zu dem Ball mitbrachte. So lasse sich das Ganze durchaus gebührend feiern.
    In Isabelle nahm bereits eine neue Ausrichtung ihrer Doktorarbeit Gestalt an. So etwas wie »Sinnliche Regungen: Die Suche nach The Splodge « vielleicht, oder wie wäre es mit »Meredith als Vertreterin der Moderne: Die Neuerfindung der Liebesdichtung«?
    Obgleich ganz anders, als Isabelle sich vorgestellt hatte, war The Splodge doch genauso eine Offenbarung gewesen, wie sie es sich erhofft hatte. Ein langes, wunderschönes Gedicht, im freien Versmaß verfasst, erzählte es die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebesaffäre, und der Tonfall war so freimütig bekennend und verzückt,
dass es schwer war, nicht daraus zu schließen, dass es sich auf etwas in Merediths Privatleben bezog.
    »Du hast vollkommen recht«, hatte Tom gesagt, als er nach dem Telefonat mit seinem Vater zu Isabelle in den Garten gekommen war. »Ich musste ihm ein bisschen Druck machen, aber Dad hat schließlich höchst ungern zugegeben, dass es in Merediths Leben – irgendwann kurz bevor sie zwanzig war – mal eine Art ›Freie-Liebe‹-Episode gegeben hat, mit jemandem, den er als

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