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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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oder?«
    »N-nein«, gab Isabelle zu.

    »Und wie lange gehst du schon auf diese Feier?«
    »Die letzten drei Jahre, aber immer...«
    »Mit all deinen Freunden, ich weiß«, vollendete Jules den Satz mit ungewöhnlicher Wärme. Sie straffte die Schultern. »Also, dieses Jahr gehst du mit uns. Wir sind auch deine Freunde. In Ordnung?«
    Allmählich fühlte Isabelle sich besser. »In Ordnung.«
    »Ich mache dir die Haare und schminke dich, Schätzchen!«, erbot sich Chrissie und nahm Isabelles Hand in die seine. »Verlass dich auf mich, ich werde mich selbst übertreffen!«
    Unwillkürlich musste Isabelle lächeln. »Solange ich dann nicht aussehe wie Savages Models.«
    Den Pressemitteilungen zufolge war das Make-up für die Frühjahrsschau »natürlich, aber gleichzeitig konzeptuell«, was jedoch die höchst befremdliche Wirkung der glänzenden rot-weißen Horizontalstreifen nicht ganz wiedergab, die quer über die Gesichter der Mädchen gemalt gewesen waren, als sie in den fantastischen Kreationen der Designer herumstolziert waren: ein Korsett und ein übergroßer Ballonrock, mit winzigen Spiegelquadraten besetzt. Ein Kleid in Form eines Hauses mit nur jeweils einem Loch für einen Arm und ein Bein und, eine Gratwanderung zwischen sublim und lächerlich, ein aufblasbares, eiförmiges Kleid, aus dem das gestreifte Gesicht des Models trotzig-glamourös hervorgeschaut hatte.
    »Schon gut, schon gut«, wiegelte Chrissie ab, als Isabelle spöttisch die Brauen hochzog. » Ganz so was Radikales werde ich nicht mit dir anstellen, aber ich verspreche dir, du wirst umwerfend aussehen.«
     
    »NOCH EIN LETZTER TUPFER ROUGE UND WIR KÖNNEN«, las Daisy auf dem Display ihres Handys. Also, heute noch
wäre nett, dachte sie mit einem kleinen Seufzer. Es war typisch für Chrissie, zu allem zu spät zu kommen, sogar zu einem Event, bei dem er eigentlich ihre Begleitung sein sollte oder jedenfalls die eine Hälfte ihrer Begleitung. Der Abend hatte nicht gut angefangen. Zuerst hatte die Londoner Gang sie eine halbe Stunde in der Bar am Place de l’Opéra warten lassen, dann hatte Jules angerufen und verabredet, dass man sich stattdessen vor der Oper treffen sollte. Vor dem Opernhaus war sie dann, wie der Teufel es wollte, ausgerechnet dem Menschen begegnet, auf den sie am wenigsten Wert legte: Clothaire, der einen eleganten dunklen Mantel über seinem Dinnerjackett trug.
    »Bonsoir, Daisy«, sagte er kühl und führte seinen üblichen Trick vor, sich von ihr auf die Wange küssen zu lassen, ohne dabei seinerseits ihr Gesicht mit den Lippen zu berühren. Nach einem Augenblick unbehaglichen Schweigens, während dem Daisy vergeblich nach einem vertrauten Gesicht Ausschau hielt, hatte Clothaire schließlich einen kurzen Blick auf die Uhr geworfen, seine Zigarette ausgedrückt und dabei gereizt geknurrt: »Hör zu, ich will da nicht allein reingehen. Das sieht blöd aus. Gehen wir zusammen?«
    Charmant wie immer, hatte Daisy insgeheim gedacht.
    »Oh, es wäre mir eine Ehre!«, hatte sie sarkastisch erwidert und seinen Arm genommen, woraufhin sie inmitten einer schnatternden Franzosenmenge zusammen ins Opernhaus getreten und zwischen zwei Reihen ernster Republikanischer Gardisten Seite an Seite die monumentale grand escalier d’honneur hinaufgestiegen waren.
    Als sie Clothaire begegnet war, hatte Daisy automatisch an Etienne denken müssen – mit leisem Bedauern, denn die Treffen mit ihrem intellektuellen Freund hatten ein Ende gefunden. Während der letzten Wochen waren sie immer seltener geworden, und gestern dann hatte Etienne verkündet, er hätte alles, was er an Material
brauchte. Daisy war überrascht und nicht wenig enttäuscht gewesen. Ihre Gespräche hatten ihr wirklich großen Spaß gemacht. Etienne hatte ihr sehr höflich für all ihre Hilfe gedankt und sie nett zum Mittagessen eingeladen, ehe er ihr Lebwohl gesagt hatte. Und damit hatte es sich. Soweit sie wusste, war er jetzt dabei, das Buch zu schreiben. Vielleicht würde sie es eines Tages in einer Buchhandlung sehen und daran erinnert werden, dass sie an der Entstehung beteiligt gewesen war.
    Nachdem sich alle Anwesenden in den Zuschauerraum begeben hatten, um sich das Ballett anzusehen, das einen Teil der Abendunterhaltung darstellte, blieb Daisy draußen, lehnte sich auf das gewaltige Geländer und wartete auf die Ankunft ihrer Freunde. Als sie sich umblickte, musste sie zugeben, dass das Opernhaus überwältigend war – überall roter Samt, Kristall und Marmor. Doch

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