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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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einem nachsichtigen Lächeln, dann stand er auf und ging, wobei er Bertrand mitnahm. Octave starrte Daisy einen Augenblick lang verstört an. Bestimmt denkt er an Marie-Laure. Offensichtlich hat er einen Entschluss gefasst. Am besten nicht drauf rumreiten.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Daisy.
    »Ja«, antwortete er und war mit einem Ruck wieder der lächelnde Octave. Er küsste sie. Nach einer Weile sagte er: »Können wir heute bei dir übernachten?«
    »Ja, sicher. Aber ich dachte, du willst lieber zurück in eure Wohnung?« Bei früheren Gelegenheiten hatte sich Octave, der einigermaßen groß war, mit Isabelles Puppenhaus-Duschkabine ein wenig schwergetan.
    »Ich hab’s mir anders überlegt.«
     
    Am nächsten Tag ging Octave früh, weil er ins Fitnessstudio wollte. Verträumt machte Daisy sich sehr langsam zurecht und betrieb
dabei sorgfältiges Power-Dressing. Die Pariser Modewoche war in vollem Gange, und sie wollte sich mit Anouk treffen und zu ein paar Schauen gehen. Danach war Tee im Laduree angesagt, wo sie, wenn sie Glück hatten, möglicherweise einen Blick auf gekrönte Häupter der Modewelt erhaschen würden – Mario Testino vielleicht oder Anna Wintour -, die zwischen soignées Parisiennes und ihren Pudeln saßen und dort auffielen wie bunte Hunde. Das Laduree war genau der richtige Ort für einschneidende Modeerlebnisse, auch außerhalb der Modeschau-Saison. Einmal hatte Daisy eine alte Dame gesehen, die ganz in Knallpink gekleidet war – einschließlich Hut und Handschuhe. Sie hatte einen Teller voll winziger, magentafarbener Himbeer- und Kirschmakrönchen bestellt und diese diskret an ihren Bassett verfüttert, der brav unter ihrem Stuhl gesessen hatte und mit einem rosa Hundemäntelchen angetan gewesen war.
    Daisy hielt nichts davon, sich für die Schauen zurückhaltend zu kleiden: Designer-Kampfkluft musste sein, und zwar vorzugsweise von jemandem, den nur die cognoscenti würden identifizieren können. Sie entschied sich für ein schwarzes, hochgeschlossenes Mantelkleid mit Gürtel von Savage aus der vorletzten Saison, das um die Hüften herum schmal geschnitten war, und kombinierte es mit hohen schwarzen Stiefeln. Es war ein Musterstück, das nie in die Produktion gegangen war, ein Unikat, mit kunstvollen Flechten aus schwarzem Pferdehaar bestickt. Oh ja, es sah toll aus. Es hatte etwas von »Küss die Peitsche, Sklave!«, andererseits kam dieser Look in der Modewelt immer gut an. Daisy legte den Kopf schief: Vielleicht sah sie einen Tick zu streng aus? Sie brauchte einen Hauch Frivolität – natürlich, ihre blitzende Herzbrosche! Automatisch griff sie danach: Normalerweise lag die Brosche auf ihrem Nachttisch, wenn sie sie gerade nicht trug. Jetzt aber sah sie, dass sie nicht da war. Wie merkwürdig. Sie suchte kurz danach,
dann schaute sie auf die Uhr. Wenn sie sich nicht fürchterlich verspäten wollte, sollte sie sich jetzt auf den Weg machen. Sie würde stattdessen das limettengrüne Anstecksträußchen tragen, das sie bei dem Einkaufsbummel mit Agathe gekauft hatte. Und was das kleine Herz betraf, weit konnte es ja nicht gekommen sein.

11
    Isabelle
    Isabelle war schwindlig. Noch vor einer Stunde war sie in Daisys Zimmer in ihre Doktorarbeit vertieft gewesen. Jetzt fand sie sich im obersten Stock eines dunklen, verlassenen Lagerhauses in Whitechapel wieder, wo sie zaghaft Jules folgte, die ihrerseits durch die fremdartige Menge geführt wurde.
    »Ihr sitzt da drüben, alles klar«, verkündete ihre Führerin, eine erschreckend modische, mit einem Klemmbrett bewaffnete junge Frau. Sie zeigte auf eine Reihe in einem Meer aus nicht besonders sauberen Plastikstühlen. »Die beiden da in der Mitte.«
    Jules und Isabelle nahmen ihre Plätze ein. Savages Schau würde gleich beginnen, und die beiden Sitzblöcke aus grauen Plastikstühlen waren fast bis auf den letzten Platz besetzt. Jules war schon auf etlichen dieser Veranstaltungen gewesen; sie saß ungerührt da und blätterte in der Sunday Times . Isabelle dagegen schaute sich mit den großen Augen einer Novizin um. Mit den abblätternden Wänden und dem Betonboden passte die Kulisse nicht zu Isabelles mentalem Bild von einer Modeschau – Reihen gepflegter Frauen mittleren Alters auf kleinen Samtstühlchen zwischen den boiseries eines Salons aus dem 17. Jahrhundert.
    Savage, hatte Chrissie ihr erklärt, wollte »das Zelt« meiden, jenes große Vordach vor dem Natural History Museum in Kensington, wo zweimal im Jahr die London

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