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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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Models, als japanische Geishas geschminkt und in blassgraues Licht getaucht, je zu zweien den Laufsteg hinunter. Ein genauerer Blick auf ihre Füße zeigte, dass sie extrem hohe Holzsandalen im fernöstlichen Stil trugen. Darüber trugen sie schimmernde weiße Shorts und Tanktops, die an der Hüfte und in der Taille miteinander verbunden waren und so ein einziges Kostüm bildeten, das sie alle einschloss. Außerdem trugen sie verwegene, asymmetrische Harlekin-Zweispitze in Rosa und Blau. Als sie abgingen, war die nächste Mädchen-Doppelreihe bereit loszumarschieren, gekleidet in ein gigantisches schwarzes Schaumgummikleid. Jeden Kopf zierten schief aufgesetzte schwarze, paillettenbesetzte Katzenohren. Es folgte ein gemeinsamer hautfarbener Bodystocking mit roter
Lurexstickerei, kombiniert mit kunstvoll geformten Hauben aus Fasanenfedern. Jedes Outfit wurde mit geräuschvollem Auf keuchen und frenetischem Applaus begrüßt. Viele der Moderedakteure, stellte Isabelle belustigt fest, als sie über den Laufsteg hinwegblickte, hatten aufgehört, auf ihren Blöcken herumzukritzeln, und weinten unverhohlen.
    Weitere halluzinationsgleiche Visionen tauchten auf, unterbrochen von dem Geheul und dem Getöse scheppernder Messingbecken. Mädchen in Säulen aus metallicfarbenem Taft, an den Hüften aneinandergehängt, mit blauen, kegelförmigen Tüllhüten, überströmt von grellblauem Licht. Mädchen, deren Köpfe aus der spitzenbesetzten Gemeinschaftskrause eines kommunalen ärmellosen schwarzen Gummikleides hervorragten, von rotem Licht überstrahlt. Für das Finale ließ Savage einen goldenen Aertex-Catsuit mit 16 Armen und 16 Beinen auf das Publikum los, gekrönt von acht futuristischen goldenen Kopfbedeckungen, die an die Helme der Rennradfahrer bei den Olympischen Spielen erinnerten. Isabelle verspürte ein Aufwallen echter Freude. Das Ganze war intense – total irre, wie Jules es zweifellos ausdrücken würde – und bekleidungstechnisch vollkommen untragbar. Es war lächerlich, prätentiös und sinnlos. Und doch stellte sie zu ihrer großen Überraschung fest, dass auch ihre Augen voller Tränen standen.
    »Da ist sie. Weide deine Augen an ihrem Anblick«, flüsterte Jules, als eine schlanke, silberhaarige Frau in einem Hosenanzug aus schwarzem Samt auf dem Laufsteg erschien und sich verbeugte. Es gab Standing Ovations, doch die Designerin verschwand sofort hinter dem Vorhang. »Komm«, fuhr Jules fort und griff nach ihrem Mantel und ihrer Tasche. »Gehen wir hinter die Bühne und besorgen uns was zu trinken.«
    Isabelles Erfahrungen mit Nachtclubs waren auf den Club de la Plage begrenzt, ein absolut harmloses Etablissement auf der île
de Re, unbeleckt von den Tücken der Mode. Er war für Leute ihres Umfeldes gedacht, und es war dort wie auf einer Party bei Marie-Laure oder Claire. Stätten abenteuerlicheren oder mehr bran che orientierten Nachtlebens hatten Isabelle nie gereizt. Und doch dachte sie bei sich, als sie von der beängstigend modischen jungen Frau mit dem Klemmbrett, nunmehr ihre Verbündete, hinter das dicke rote Absperrseil gelotst wurden – während Mitglieder der Presse auf der anderen Seite warten mussten -, dass sie in ihrem ganzen Leben noch nie so freudig erregt gewesen war.
    Hinter der Bühne herrschte das totale Chaos: ein Wirrwar aus halb weggetretenen Models, der Hysterie nahen Garderobieren und Visagisten, Fernsehkameras und androgynen Kellnern, die sich mit Tabletts voller Gläser durch die Menge wanden. Isabelle nippte an rosa Champagner und hielt sich dicht bei Jules. Die Menge teilte sich, und sie sahen Chrissie auf dem Schoß eines ungeheuer hochgewachsenen Mädchens in Unterwäsche sitzen, das noch immer seinen goldenen Helm trug. Beide kicherten hemmungslos.
    Chrissie sprang auf und rannte auf Isabelle und Jules zu. »Da seid ihr ja, Daaah- lings! « In einer Gruppenumarmung drückte er sie beide an sich. »Hat es euch gefallen? Wie war es? Hat es einigermaßen ausgesehen? War es okay? Hat es euch Spaß gemacht? Sagt ehrlich.« Er trat zurück und betrachtete ihre Gesichter. »Isabelle! Ich glaube tatsächlich, du hast geweint! Gott segne dich, Darling!«
    »Äh, ja. Ich habe nicht damit gerechnet... Es war wirklich...«
    Isabelles verlegene Glückwünsche wurden bald durch die Ankunft einer kleinen, blonden jungen Frau gestört, die Chrissie furchtsam am Ärmel zupfte. Sie trug Leggins und ein knielanges T-Shirt mit dem Bild einer psychopathischen, kettensägenschwingenden Mickymaus.

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