Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
Vom Netzwerk:
Merediths ursprüngliche Möbel? Und die Bilder an den Wänden? In welchem Sessel hatte sie für gewöhnlich gesessen? Hatte sie lieber indischen oder chinesischen Tee getrunken? Hatte sie oft den Botanischen Garten besucht? War das der Grund, weshalb sie in Kew hatte wohnen wollen? Hatte Meredith gern gestrickt oder gestickt? Hatte sie einen Fernseher besessen? Hatte sie Tiere gemocht? Hatte sie einen Hund gehabt?
    Isabelle saß zwischen Fern und Wendy auf einem Sofa und schwieg. Während ihres Studiums hatte man ihr eingebläut, dass nicht das Leben eines Schriftstellers wichtig war, sondern sein Werk. Ich bin Literaturwissenschaftlerin, dachte Isabelle steif, und als solche interessieren mich derartiger Firlefanz wie Merediths persönlicher Geschmack und ihre Hobbys nicht sonderlich. Sie ließ den Blick über den Tisch wandern. Lucy, mit struppigem grauen
Haar und leuchtenden blauen Augen, bellte gerade Merediths Großneffen irgendetwas Enthusiastisches entgegen, der ohne eine Spur von Ungeduld oder Langeweile zuhörte.
    »Und was machen Sie, Mr. Quince?«, erkundigte sich Maud mit gewissem Nachdruck. Sie hatte schon eine ganze Weile versucht, Lucy ins Wort zu fallen.
    »Sind Sie vielleicht auch Schriftsteller?«, wollte Herbert wissen.
    »Nichts derartig Aufregendes. Ich bin Gärtner.«
    Isabelle seufzte innerlich. Das klang für ihre Zwecke nicht gerade sehr ermutigend.
    »Ach, wirklich? Wie schön!«, rief Fern. »Dann haben Sie bestimmt einen ganz wundervollen Garten.«
    »Nun ja, der Garten macht viel Spaß«, antwortete er vage. »Aber er macht auch jede Menge Arbeit. Ich muss mich noch um die Gärten anderer Leute kümmern, darunter leidet natürlich mein eigener. Ich würde Ihnen ja zeigen, was an Garten vorhanden ist, aber es ist wirklich schon zu dunkel.«
    »Dann haben Sie also Gartenbau studiert, als Sie in Italien gelebt haben?«, fragte Maud.
    Er sagte, ja, das stimme, und wandte sich dann an Selina, um ihre Fragen über die mediterrane Flora zu beantworten. Isabelle kaute an einem Gurkensandwich und musterte Tom Quince prüfend; sie suchte nach Ähnlichkeiten mit seiner Großtante. Es schien keine zu geben, abgesehen von ganz allgemeinen Übereinstimmungen, was den Farbton von Haar und Haut betraf, und selbst was das anging, war sein Haar heller als das ihre auf dem Porträt. Sie nahm einen weiteren winzigen Bissen von ihrem Sandwich. Andererseits, dachte sie bei sich, sah er irgendwie nicht ganz wie ein Zeitgenosse aus. Vielleicht lag das an dieser Hornbrille: Sie wirkte ein bisschen retro. Nein, es war mehr als das. Die hohen Wangenknochen vielleicht und die feste, geschwungene Linie seines Mundes. Er hatte
eines jener Gesichter, die ganz früher zweifelsohne von einem Schnurrbart geziert worden wären. Einem Offiziers-Schnurrbart, dachte sie, einem, der sich an den Enden nach oben biegt.
    In diesem Moment begegneten sich ihre Augen. Er zog ganz leicht die Brauen hoch und bedachte sie mit einem Blick, der so direkt und ironisch war, dass sie beinahe ihr Sandwich in einem Stück hinuntergeschluckt hatte. Hastig wandte sich Isabelle zu Wendy um, die in demütigem, zufriedenem Schweigen neben ihr saß, als wolle sie auf etwas antworten, was diese gesagt hatte. Als sie wieder über den Tisch hinwegschaute, hatte Merediths Großneffe abermals sein leicht zerstreutes, gutmütiges Wesen angenommen und beantwortete Mauds detaillierte Fragen über die florentinische Architektur. Isabelle musste sich diesen untypischen kurzen Blick eingebildet haben. Tatsächlich achtete er gar nicht besonders auf sie.
    Nach dem Tee war es den Angehörigen der Society endlich vergönnt, sich im Haus umzusehen. Zu ihrer freudigen Erregung begann die Tour in Merediths Schlafzimmer.
    »Oh.« Fern konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. »Ah, ja«, meinte Tom Quince entschuldigend, »ich fürchte, es ist nicht ›genau so, wie sie es hinterlassen hat.‹ Mein Vater hat es sich als Arbeitszimmer eingerichtet, als er das Haus übernommen hat, und dann hat er alles Mögliche darin untergebracht, als sie ausgezogen sind. Lauter Dinge, für die er keine Verwendung hatte. Jetzt sieht es wirklich ein bisschen trist aus. Ich denke, als Gästezimmer ist es ganz brauchbar.«
    »Vielleicht«, bemerkte Wendy so laut, wie sie es wagte, »würden Sie es ja gern wieder so herrichten, wie es zu Merediths Zeit war?«
    »Mm, ja, das ist eine Idee«, erwiderte Tom Quince geistesabwesend.
    Sie schauten ins Esszimmer und stiegen dann eine

Weitere Kostenlose Bücher