High Heels und Gummistiefel
Bassgitarre und Sänger. Scheint doch ein Jammer zu sein, alles platzen zu lassen, hm? Und inzwischen mache ich Tee.«
Langsam ließ sich Jules gegenüber von Karloff nieder. Isabelle, die neben ihm saß, bemerkte, dass er es irgendwie geschafft hatte, seine schwarz gewandeten Beine zweimal übereinanderzuschlagen und sie zu einem Knoten des Unbehagens zu verschlingen.
»Also, Karloff, Süßer«, fuhr Chrissie lebhaft fort. »Du bist doch der Frontman . Nimm die Dinge in die Hand, Darling. Komm schon! Was liegt an ? Wie ist die Lage?«
Karloff räusperte sich. Die beiden liebeskranken Goths warfen einander einen raschen Blick zu und schauten dann hastig weg.
»Aber die Sache ist, na ja...«, fing Karloff schließlich unsicher an. »Normalerweise sind die anderen auch dabei.«
»Ist das das erste Mal, dass ihr beide euch allein trefft?«, erkundigte sich Chrissie, ohne sich umzudrehen. »Um etwas wegen The Coven zu besprechen?«
»Na ja, ja«, antwortete Karloff und starrte Jules an. »Wir haben uns noch nie ohne die anderen getroffen.«
»Wirklich, Darling? Nun, es gibt für alles ein erstes Mal«, verkündete Chrissie. »Ich mache mal den Gastgeber, ja?«, fuhr er fort, ließ Teebeutel in Becher plumpsen und holte die Milch aus dem Kühlschrank. »Zucker, Karloff?«
»Kazza nimmt nie Zucker«, wehrte Jules ab, ehe sie sich beherrschen konnte. Karloff lief bei diesem Zeichen der Aufmerksamkeit dunkelrot an. Jules machte sich daran, ihre Stirnfransen über ihre Brille zu ziehen.
Chrissie, der mit weit aufgerissenen Augen und verkniffenen Nasenlöchern zu Isabelle hinüberschaute, verteilte Teebecher und legte eine Packung mit Schokoladenkeksen vor Jules auf den Tisch. »Mach doch mal die Leckerlis auf, Schatz, ja?« Dann setzte er sich, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und ließ das Kinn auf den verschränkten Fingern ruhen. »Ehrlich gesagt, ich wüsste ja zu gern, wie das mit der Band angefangen hat. Wie habt ihr euch kennengelernt? Nun erzählt schon.«
»Whitby«, antwortete Karloff enigmatisch.
»Ich verstehe nicht«, sagte Isabelle verwirrt.
Jules wandte sich zu ihr um. »Whitby liegt in Yorkshire, da hat Draculas Schiff in England angelegt.«
Verständnislos starrte Isabelle sie an.
»In dem Buch , Darling, in dem Roman von Bram Stoker«, erläuterte Chrissie zwischen kleinen Schlucken Tee.
Jules und Karloff nickten energisch.
»Deswegen ist Whitby ein Wallfahrtsort«, führte Chrissie weiter aus und erwärmte sich für das Thema. »Wie ein Ibiza für Goths. Alle tragen Schwarz. Alle sind bleich, düster und interessant. Der Himmel ist bleigrau. Es gibt einen Friedhof mit windschiefen Grabsteinen. Es ist saukalt. Alle amüsieren sich blendend.«
»Vor zwei Jahren«, sagte Karloff heiser, »bin ich mit Ivy da raufgefahren. Damals haben wir zusammengewohnt, als Wohngemeinschaft. Sie hat ihre Freundin Belladonna mitgebracht. Im Auto haben wir angefangen, so über dies und das zu reden, und dass wir vielleicht’ne Band zusammenkriegen wollen. Eigentlich alles nur so aus Spaß. Dann sind wir nach Whitby gekommen, waren auf’ner Party, haben uns zugesoffen und das alles vergessen.«
Isabelle warf Jules einen verstohlenen Blick zu. Die Bassgitarristin der Band bemühte sich geistesabwesend, die Kekspackung aufzureißen, doch ihre Fingernägel fanden keinen Halt an der Verpackung.
Karloff erzählte weiter. »Danach haben wir in so einem Bed & Breakfast gepennt und sind dann am Morgen in diesen Pub, The Elsinore hieß der. Inzwischen hatte ich einen Mordskater und war echt schlecht drauf. Jedenfalls ist Ivy in dem Pub zwei Frauen begegnet, die sie ein bisschen kannte. Sie hatte sie im Sommer davor auf einem Festival in Schweden kennengelernt.«
»Das waren ich und Legend«, übernahm Jules den Gesprächsfaden.
»Und dann war mein Kater weg. Einfach so. Magie.«
»Ivy hat davon angefangen, dass man doch’ne Band gründen könnte, und als wir alle am Tisch abgefragt haben, hat sich rausgestellt, dass wir alle irgendwas spielen konnten. Und der Rest ist Geschichte.« Noch einmal zerrte sie vergeblich an der Kekspackung. »Ach, leck mich doch! Ich meine, bin ich denn die Einzige, die The Coven einen Dreck interessiert?«
»Nein! Nein, das bist du nicht«, verwahrte sich Karloff mit erstickter Stimme. »Mich interessiert die Band sehr wohl einen Dreck.«
Isabelle und Chrissie wechselten einen Blick. Die Spannung im Raum war unerträglich geworden.
»Wir sollten euch wirklich allein
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