High Heels und Gummistiefel
jedoch der Herausforderung, die schweigsame Drummerin zu befragen, nicht gewachsen. Jules und Karloff saßen nebeneinander am Tisch, ohne miteinander zu sprechen oder sich anzusehen, und schnitzten emsig Kürbislaternen. Chrissie schaute sich um, als Isabelle hereinkam, und bedachte sie mit einem Verschwörerlächeln. Isabelle lächelte zurück. Nach dem Essen würden sie ihren brillanten Plan in die Tat umsetzen – mit ein wenig Hilfestellung seitens der Geister.
Isabelle ging wieder hinauf, um einen letzten Versuch bei ihrem Freund zu starten, der sich ausgerechnet diese Woche ausgesucht hatte, um sie zu besuchen. Clothaire war mit Isabelles exzentrischen Mitbewohnern nicht warm geworden und verbrachte den größten Teil seiner Zeit lesend und schmollend in ihrem Zimmer. An der Party heute Abend nahm er unter Zwang teil, hatte sich jedoch kategorisch geweigert, sich zu verkleiden, weil das kindisch, dämlich und sinnlos sei. Jules und die anderen dagegen nahmen Halloween sehr ernst. Jules ging als Kleopatra und Legend als die
Mumie. Karloff machte es sich leicht und ging in seiner Zwangsjacke als viktorianischer Wahnsinniger, Ivy als Jeanne d’Arc im Kettenhemd und die üppig gerundete Belladonna als hocherotischer Vampir. Chrissie, der sich für sein Leben gern verkleidete, hatte Dorothy aus The Wizard of Oz in Erwägung gezogen (wobei die Katze Raven in einer Art Cross-Dressing als Dorothys Hund Toto hätte auftreten können), hatte es sich jedoch anders überlegt, nachdem er eine rotblonde Perücke mit Zöpfen anprobiert hatte, die ihm überhaupt nicht stand. Jetzt ging er als frecher Huckleberry Finn mit abgeschnittenen Hosen und Strohhut, und Raven war in eigener Sache als Catwoman unterwegs (in einem minimalistischen Kostüm, das aus einem schwarzen Satincape bestand.)
Isabelle war zunächst nicht gerade scharf darauf gewesen, sich zu verkleiden, aber Chrissie, der eine sehr scharfe Beobachtungsgabe besaß, wenn er wollte, hatte sie gerettet, indem er verkündet hatte, sie solle als Audrey Hepburn in Frühstück bei Tiffany gehen, was eigentlich keine richtige Verkleidung war. Isabelle würde ihr kleines Schwarzes tragen, mit einer langen Perlenkette, und sich Chrissies Zigarettenspitze ausleihen.
Als sie an Daisys Schminktisch saß (der für diesen Abend wieder seinem ursprünglichen Zweck diente) und sich das Haar zu einer etwas gebändigteren Version von Holly Golightlys Turmfrisur aufsteckte, versuchte sie ein letztes Mal, Clothaire umzustimmen. »Ich finde einfach, es wäre höflicher, sich ein bisschen Mühe zu geben«, sagte sie flehend.
»Nein.«
»Vielleicht macht es dir ja Spaß, weißt du?«
»Nein.«
Es war vollkommen sinnlos, wie sie von früher her wusste. Clothaire hatte sich rundheraus geweigert, einen Kostümverleih
aufzusuchen, also hatte Chrissie ihm Dutzende farbenfrohe Verkleidungsmöglichkeiten aus seinem eigenen Kleiderschrank angeboten – viele seiner Outfits konnten ohne Weiteres als Kostüm dienen. Clothaire hatte eine kalte, starre Miene aufgesetzt und Nein gesagt. Es würde schon gut gehen, sagte Isabelle sich, während sie sorgfältig Lippenstift auftrug. Wenigstens ein weiterer Gast würde da sein, mit dem Clothaire sich beim Essen unterhalten konnte: Tom Quince. Wahrscheinlich würden sie sich richtig gut verstehen.
Isabelle ging hinunter, nachdem sie versprochen hatte, Clothaire zu rufen, wenn es Zeit zum Essen war. Mittlerweile waren alle anderen verkleidet, standen in der Küche herum und bewunderten gegenseitig ihre Kostüme. Jules stand auf einem Stuhl und entzündete die Kerzen in dem schmiedeeisernen Kronleuchter, der über dem Tisch hing.
»Pass bloß auf, Ju«, nuschelte Chrissie unter seinem Strohhut hervor, »in all dem Goldlame fängst du in null Komma nichts Feuer.« Er schaute zu Isabelle hinüber und grinste. »Also da soll mich doch! Wenn das nicht Miss Holly Golightly ist!«
Die mumifizierte Legend, deren Pferdeschwanz sich wie ein kleiner Rohöl-Geysir hoch oben auf dem Scheitel ungezähmt durch die Stoffbinden zwängte, mit denen ihr Kopf umwickelt war, schlurfte auf Isabelle zu und reckte den Daumen in die Höhe. »Verdammt, du siehst echt klasse aus. Du solltest öfter Schwarz tragen.«
»Jeder sollte immer Schwarz tragen«, verkündete Ivy feierlich und stützte sich vor der Anrichte, auf der sich jetzt ein ganzer Trauerzug aus Kürbislaternen drängte, auf ihr Schwert.
Es klingelte, und Isabelle ging zur Haustür. Es war Tom Quince, in einem
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