High Heels und Gummistiefel
Sonnenbräune und die Bartstoppeln beschrieb.
»Oh ja, ein richtiger Mann!« Entzückt faltete Anouk die Hände. »Aber das ist doch perfekt!«
»Ich glaube, er ist wahrscheinlich so um die vierzig. Ein bisschen alt für mich, findest du nicht?«
»So ein Unfug. Mit einem gut aussehenden, verwilderten Vierzigjährigen etwas trinken zu gehen«, nahm Anouk den Faden entschieden wieder auf, »ist wahrscheinlich das Beste, um über Octave hinwegzukommen. Du brauchst... Ablenkung. Und weißt du, warum ich dir diesen Rat gebe?«
»Warum?«
»Weil, mon petit, dies das erste Mal seit eurer Trennung ist, dass ich Octave erwähne und du daraufhin nicht in Tränen ausbrichst.«
Daisy musste an Chrissies SMS von gestern denken, eine Antwort auf einen ihrer schmerzerfüllten Gefühlsausbrüche. »SO
SCHNELL WIE MÖGLICH WIEDER IN DEN SATTEL STEIGEN«, hatte er mit der üblichen Ungezwungenheit geraten und nach einer kurzen Pause hinzugefügt: »AM BESTEN BOCKENDER BRONCO.«
Daisy lächelte und dachte an Raouls Westernstiefel. Also dann, dachte sie, Yii-hah, Cowboy.
15
Isabelle
»Oh nein, doch nicht jetzt, Isabelle«, stöhnte Clothaire, hinter seinem Buch verschanzt, mit Märtyrerstimme. »Ich bin völlig erschöpft.«
Isabelle, die seine Brust mit kleinen Küssen bedeckt und ihre nackten Beine unter der Bettdecke liebkosend an seinen gerieben hatte, rollte sich gehorsam von Clothaires unempfänglichem Körper weg.
Sie lag neben ihm und schaute nachdenklich zur Decke hinauf. Wenn nicht jetzt, wann dann? Nachher würde Clothaire nach Hause fahren, und danach würden sie sich bis Weihnachten nicht mehr sehen. Und es war auch nicht so, als wäre er während seines Aufenthalts in London besonders enthusiastisch gewesen, was seine Aufmerksamkeiten betraf. Einmal schon, nein zweimal, aber im Großen und Ganzen schien er ganz andere Dinge im Kopf zu haben. Die meiste Zeit hatte er mit Lesen verbracht, oder er war allein spazieren gegangen, »um den Kopf freizubekommen.« Den Kopf von was freizubekommen? Isabelle hatte auf mehr Leidenschaft gehofft, tatsächlich jedoch war dieses Verhalten gar nicht so ungewöhnlich. Clothaire hatte manchmal solche Phasen, besonders wenn bei seiner Arbeit irgendetwas Wichtiges im Gange war. Prüfungen zum Beispiel waren stets eine »Kein Sex«-Angelegenheit gewesen. Und wenn Isabelle es jetzt so recht bedachte, dann traf das auch auf die Zeit vor den Prüfungen zu. Und oft auch auf die Periode, die darauf folgte. Und auf Ferien und Feiertage auch, denn dann musste Clothaire sich erholen.
Isabelle setzte sich im Bett auf, um ihre Unterwäsche und ihr T-Shirt wieder anzuziehen, und dachte über die simple Tatsache nach, dass Clothaire, obwohl er bei Dinnerpartys viel darüber redete und mit zahlreichen Theorien zu diesem Thema aufwarten konnte, einfach keinen großen Wert auf Sex legte. Das kam daher, dass er so ein intellektueller, brillanter Mensch war. Und dass er Isabelle außerdem um ihrer selbst willen liebte, nicht nur wegen ihres Körpers. Und Isabelle empfand natürlich genau dasselbe. Das war einer der Gründe, warum sie und Clothaire so gut zueinanderpassten – weil sie auf einer höheren Ebene miteinander kommunizierten als nur durch Sex.
Und jetzt wartete Clothaire darauf, etwas über eine mögliche Dozentenstelle am Sciences Po zu erfahren, jener prestigeträchtigen Hochschule, wo zukünftige Staatsdiener und Diplomaten ausgebildet wurden. Natürlich, das war es! Also, es gab wirklich überhaupt keinen Grund zur Sorge. Das Wichtigste war, ihn nicht unter Druck zu setzen.
»Ich nehme schnell ein Bad, okay?«, sagte sie, stieg aus dem Bett und zog Morgenmantel und Hausschuhe an.
»Mmm? Ja, okay.«
»Und dann, wenn du fertig bist, haben wir vielleicht Zeit, ein bisschen zu frühstücken, bevor wir zum Bahnhof fahren. Und ich glaube, danach gehe ich in die Bibliothek. Ich schaue mir gerade die Geschichte der Bauchredekunst in der fraglichen Zeit an – Darbietungen, wie Meredith sie vielleicht miterlebt hat, als sie herangewachsen ist.«
»Fein«, sagte Clothaire und blickte auf. »Hast du gerade gesagt, du willst zum Bahnhof mitkommen?«
»Natürlich, du Dummkopf – um dir auf Wiedersehen zu sagen«, erwiderte Isabelle und drehte ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen.
»Oh, das ist nicht nötig. Du weißt doch, wie verhasst mir eine solche Umgebung ist. Ich würde mich lieber hier verabschieden.«
Isabelle dachte an ihren Entschluss, so wenig Druck wie möglich
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