Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
Vom Netzwerk:
Abenteuer. Ist gewissermaßen surreal. Schwer, das einfach so zu erklären. Aber hören Sie, erzählen Sie doch mal: Wie ist das so, in London zu wohnen? Das muss doch irgendwie extrem sein, oder nicht?«
    »Extrem« war eines von Raouls Lieblingswörtern. Ehe er in die Welt der Comics eingetaucht war, hatte er ein paar Nachtclubs in
Paris und Südfrankreich gemanagt und viele Motorradrennen gefahren, einige davon quer durch China. Es war alles »irgendwie extrem« gewesen.
    »Manchmal wohl schon«, gab Daisy zu. »Es ist eine tolle Stadt, unheimlich vielfältig und voller Energie. Und wenn man in der Modebranche arbeitet, geht es manchmal auch ganz schön heiß her. Savage – die Designerin, für die ich PR gemacht habe – ist sofort auf hundertachtzig, sehr avant-garde.« Daisy war hocherfreut, zur Abwechslung einmal den richtigen französischen Ausdruck zu verwenden. »Und wenn die Schauen stattfinden, dann drehen alle total durch.«
    »Ist das von ihr, was Sie da heute anhaben?«, erkundigte sich Raoul und deutete auf Daisys künstlich gealtertesTanktop aus pinkfarbener Spitze.
    Sie nickte eifrig. »Ja! Dieses Teil mag ich wahnsinnig gern! Das ist aus der ersten Kollektion, für die ich die Pressearbeit gemacht habe, als Savage gerade angefangen hat. Die ganze Kollektion war pink, aber überhaupt nicht girlymäßig – ganz seltsam und apokalyptisch. Sie hieß ›Sugar and Spike‹. Savage hat damit etwas über die Frau in der heutigen Gesellschaft ausgesagt. So was von inspiriert!«, erklärte Daisy inbrünstig. Als sie sah, wie ein breites Grinsen auf Raouls Gesicht erschien, riss sie sich zusammen. »Sie finden das albern.«
    »Überhaupt nicht«, beteuerte er, beugte sich vor und fixierte sie mit seinen lachenden grünen Augen. »Ich finde es toll, dass Sie so begeistert von Ihrem Job sind. Das ist super. Und ich finde, Mode ist, Sie wissen schon, von entscheidender Bedeutung«, fügte er mit mehr Ernst hinzu. »Ich glaube sogar, es gibt nichts Wichtigeres, als dafür zu sorgen, dass Frauen schön aussehen.«
    Daisy lächelte und sonnte sich in seinem Interesse. Bei diesem ersten Date hatte sie die Vorsichtsmaßnahme ergriffen, sich gleich
im Anschluss mit Agathe in einem Café in der Nähe zu verabreden, für den Fall, dass Raoul sich als unmöglich erwies. Doch er war gar nicht unmöglich. Man konnte gut mit ihm reden, er war locker und witzig und schien das Leben wirklich zu genießen. Außerdem war es schön, eine neue Freundschaft mit jemandem zu schließen, der noch nie von Octave gehört hatte. Und noch etwas war cool an ihm, nämlich, dass er tatsächlich Gauloises rauchte – und dementsprechend war seine Stimme, die unglaublich französisch klang, auch noch tief und heiser. Ein paar Tage später waren sie Sushi essen gegangen. Als sie bezahlten, sagte Raoul plötzlich zu ihrem freudigen Erschrecken: »Wissen Sie, ich würde Sie wirklich gern mal zeichnen. Wenn Sie möchten.«
    »Mich? Das wäre super!«
    »Ich zeichne gern alle meine Freunde. Und ich finde, Sie haben ein wirklich interessantes Gesicht.«
     
    Es war das Resultat eben jenes Gesprächs, dass Daisy sich an diesem Vormittag in Raouls Atelier beim Modellstehen wiedergefunden hatte. Zwei Stunden zuvor war sie in seiner Wohnung in Les Halles aufgekreuzt, rechtzeitig zum Sonntagsbrunch. Raoul zu Ehren hatte Daisy sich für einen »Frontier-Look« entschieden – schwarze Bluse, in einen langen Zigeunerrock gesteckt, kurze Jeansjacke, rotes Halstuch und natürlich metallicfarbene Cowboystiefel. Als sie aus dem Fahrstuhl trat, hatte der Klang von Musik sie zur richtigen Tür geführt. Daisy lächelte, als sie das Lied wiedererkannte. Es war durchaus logisch, dass Raoul, der stark unter amerikanischem Einfluss stand, ein Fan der Beach Boys war.
    Raoul hatte ihr in Jeans und Jeanshemd die Tür geöffnet; er trug seine üblichen Westernstiefel.
    »Hey, Daisy«, sagte er und küsste sie auf die Wangen.
    »Howdy, Partner.«

    Sie folgte ihm einen von Büchern gesäumten Flur hinunter. Raouls Wohnung war weiß gestrichen, groß und modern. Der größte Teil der Möbel sah italienisch aus und war mit weißem Leder bezogen. Eine riesige Jukebox aus den 50ern stand in einer Ecke und spielte gerade die letzten Takte von »California Girls.«
    »Gefällt Ihnen mein Monster?«, wollte Raoul wissen und zeigte stolz auf den mächtigen bunten Musikautomaten. »Hab ich aus L.A. mitgebracht.«
    »Es ist toll.«
    Die Jukebox gab Raouls nächste Auswahl zum

Weitere Kostenlose Bücher