Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
für einen entlaufenen roten Hund.«
Unter unbeschreiblichem, ohrenbetäubendem Lärm kamen ihnen die Dorfbewohner, begleitet von jaulenden, knurrenden Hunden, entgegen. Man bestürmte die Krieger mit Fragen und bot ihnen Erfrischungen an. Den beiden Gefangenen dagegen bereitete man einen äußerst feindseligen Empfang.
Eine mit einem Messer bewaffnete Frau packte den Bart des Revenant, schnitt ihn mit einem Ruck ab und nahm dabei noch ein Stück Haut mit. Dann stieß man die beiden Männer weiter. Frauen und Kinder schlugen schreiend auf sie ein, verhöhnten sie und zogen an ihren Kleidern und Haaren. Alexander, der völlig erschlagen vor Müdigkeit und Fieber war, kostete es übermenschliche Anstrengung, nicht unter den Hieben, die auf ihn einprasselten, zusammenzubrechen. Mit ein paar groben Worten drängte Niyakwai die Menge zurück und führte die beiden Gefangenen ins Innere der Umfriedung.
Das Irokesendorf bot ein völlig anderes Bild als alles, was Alexander bisher gesehen hatte. Es bestand nicht aus Wigwams, sondern aus zweigeschossigen Konstruktionen, die auf fünfundzwanzig Fuß Breite bis zu einhundertfünfzig Fuß Länge messen konnten. Diese »Langhäuser« waren mit großen Stücken Ulmenrinde gedeckt, die einander überlappten, sodass die Dächer wasserdicht waren. Zwischen ihnen erhoben sich hier und dort Holzgestelle. Einige dienten zum Trocknen von Fisch oder Fleisch, auf anderen lagerten Mais oder Felle. Der Boden war mit Abfall und Tierkadavern übersät, die man für die Hunde liegen ließ.
Ein Mann kam auf sie zu. Er trug eine Art Kopfputz aus Fell, der mit einer Vielzahl von Federn geschmückt war. Ein Gefolge von Kriegern, die wie er in einen Lendenschurz gekleidet waren und Tätowierungen zur Schau stellten, begleitete ihn. Alexander erriet, dass dieser Mann, der so groß wie sein Bruder Coll war, Häuptling Gayengwatha sein musste. Wemikwanit trat vor und präsentierte ihm den Kopf des Hollandais’, den er auf einen Pfahl spießte. Dann begann eine angeregte Diskussion.
»Ich wette mit dir, dass sie das Datum für den Festschmaus festlegen, mein Freund.«
Le Revenant klang seltsam distanziert. Er hatte ein zynisches Lächeln aufgesetzt und schaute unbestimmt in Alexanders Richtung, ohne ihn wirklich zu sehen.
»Dann werden sie uns ordentlich zu essen geben, damit wir wieder zu Kräften kommen und ihre Martern so lange wie möglich überleben, ha, ha, ha! Je länger du dem Tod widerstehst, umso stärker ist dein Geist, an dem sie sich zusammen mit deinem Fleisch ergötzen.«
Sein Ton war düster. Alexander wollte nichts mehr davon hören.
»Sei still, Chamard …«, brummte er und erstickte dann fast an einem Hustenanfall.
»Wenn du Glück hast, mein Freund, wird die Witwe des tapferen Kriegers, den du getötet hast, dich adoptieren, damit du ihr den Mann ersetzt. Das dient dem Überleben des Stamms, verstehst du? Sie können es sich nicht leisten, zu viele Krieger zu verlieren. Darin liegt ihre Kraft. Sollte die Witwe beschließen, dich zu behalten, dann kann niemand, nicht einmal Wemikwanit, etwas dagegen einwenden. Andernfalls jedoch …«
Ein gellender Schrei unterbrach die schaurigen Ausführungen des Revenant. Eine Frau rang krampfhaft die Hände und stürzte den beiden Irokesen entgegen, die die Trage mit dem durch Tannenharz konservierten Körper des fraglichen Kriegers trugen. Sie betete Litaneien herunter, in die andere Frauen, deren Kinder sich an ihre Lederröcke klammerten, weinend einfielen.
Alexander sah dem Leichenzug nach, der sich in eines der Langhäuser begab. Dann traf ein Gewehrkolben ihn in die Flanke und riss ihn aus seinen Betrachtungen. Niyakwai stieß ihn und den Revenant in die entgegengesetzte Richtung, sodass die Gefangenen ein weiteres Mal das Dorf durchqueren mussten und den zornigen Bewohnern ausgesetzt waren. Sie wurden wieder geschlagen, mit Exkrementen und Steinen beworfen und mit Beleidigungen überhäuft. Einige Kinder wagten sich bis zu ihnen vor und bissen sie in Arme und Beine.
Schließlich sperrte man sie in eine winzige Hütte, in der eine Schale Wasser und ein Napf mit klumpigen Maisbrei standen. Aber Alexander hatte nur den einen Wunsch, sich auf dem Boden auszustrecken und die verquollenen Augen zu schließen. Erschöpfung und Schmerz waren stärker als seine Ängste, und er sank rasch in einen tiefen Schlaf.
Quälend langsam verstrichen drei Tage, bis man sich herabließ, Notiz von ihnen zu nehmen. Um ihre Angst zu
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