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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Los ihm bestimmt war. Um den ruhelosen Geist des getöteten Kriegers zu besänftigen, würde man ihn gleichzeitig mit Alexander opfern. Er flehte Wemikwanit an, sich für ihn zu verwenden, zu bitten, man möge ihn als Sklaven adoptieren. Doch der Chippewa weigerte sich rundheraus und behauptete lächelnd, eine Ratsentscheidung sei unwiderruflich.
    Die Moral der Gefangenen befand sich auf dem Tiefpunkt. Die junge Eingeborene brachte ihnen weiter regelmäßig zu essen, aber sie rührten immer weniger davon an. Mehrmals wurde sie von einer in alte Lumpen gekleideten Frau begleitet. Alexander begriff, dass sie die Witwe war. Ihr Haar war sehr kurz; sie hatte es sich zum Zeichen ihrer tiefen Trauer abgeschnitten. Sie baute sich vor ihm auf, musterte ihn herablassend und überschüttete ihn mit einer Flut von Beleidigungen, die er zu seiner großen Erleichterung nicht verstand.
    »Lächle sie doch an, Macdonald!«, rief le Revenant eines Tages aus. »Sie interessiert sich für dich; lass dir diese Chance nicht entgehen, verflucht!«
     
    Der Dezember kündigte sich mit einem leichten Schneefall an, der das Dorf mit einem dünnen, makellosen Leichentuch überzog. Alexander versuchte sich mit der Decke, die ihm die hübsche Indianerin gebracht hatte, mehr schlecht als recht zu wärmen, aber er war vor Kälte wie erstarrt. Er versuchte, die junge Frau anzusprechen, aber sie blieb stumm und sah ihn nur aus ihren schwarzen Augen mit einem seltsamen Blick an. Doch sie antwortete auf keine seiner Fragen, sondern tat ihre Arbeit und ging dann sofort. Nachdem ihre Verletzungen geheilt waren, erlaubte man den Gefangenen zweimal täglich, die Hütte zu verlassen, um frische Luft zu schnappen und sich die Beine zu vertreten. Den Rest der Zeit verbrachten sie in ihrem Gefängnis und warteten auf den Tod.
    Schließlich war der gefürchtete Tag gekommen. An diesem Abend kam die Witwe zusammen mit einem unbekannten jungen Mädchen zu ihnen. Die hübsche Indianerin war nirgendwo zu sehen. Alexander war bedrückt, denn sonst schöpfte er aus ihrem Lächeln Kraft, um weiterzumachen. Aber es war auch gleich: Wenn die Sonne wieder aufging, würde seine Seele frei sein.
    Die Witwe legte saubere Kleidung vor die beiden Männer hin und machte ihnen mit schroffen Gesten deutlich, sie sollten sich ausziehen. Als das geschehen war, trat sie auf Alexander zu und musterte ihn lange. In der Hoffnung, die Sympathie der Frau zu erwecken, rang sich der Schotte ein Lächeln ab.
    »Bete zu Gott, dass sie dich begnadigen, Macdonald.«
    Le Revenant ging hinter Alexander, der es riskierte, einen Blick über die Schulter zu werfen. Einer ihrer Wächter versetzte ihm einen Stoß.
    »Wenn sie dir das Leben lassen, mein Freund, werden sie dich … entweder als Hund oder als einen der ihren betrachten. Aber wie es auch kommt, für die Gesellschaft bist du tot. Du wirst nicht mehr Alexander Macdonald sein, sondern bekommst einen neuen Namen und musst so leben wie sie.«
    Le Revenant gab seine Bekundungen mit düsterer Stimme ab. Er stieß einen langen, tiefen Seufzer aus.
    »Sie werden dir deine Identität nehmen und mit dir tun, was sie wollen. Möglich, dass du nichts als eine Tauschware oder ein einfacher Diener bist, aber denkbar ist auch, dass du ein geachteter Krieger wirst. Alles hängt von deinem Verhalten ab …«
    Ein knapper Befehl, gefolgt von einem bedrohlichen Klacken mit den Zähnen machte seinen trüben Prophezeiungen ein Ende.
    Der Schnee wirkte im Licht der untergehenden Sonne rötlich und knirschte unter ihren Schritten. Überall standen auf Feuern dampfende Kessel aus Eisen oder Kupfer, in die Mais und Fleisch geworfen wurden. Ihre Eskorte führte die beiden Gefangenen bis an das Tor des Dorfes, das von mehreren schwarz bemalten Kriegern bewacht wurde, und stieß sie aus der Einfriedung. Auf- und abschwellendes, grelles Geschrei stieg in die kalte Luft auf. Die Todesnacht der Gefangenen war für diese Leute ein großes Freudenfest.
    In der Mitte des Versammlungsplatzes standen zwei Plattformen auf in den Boden eingelassenen Pfählen, die man über Baumstämme, in die Stufen eingehauen waren, erreichte. Zwischen den beiden Podesten, vor denen man ihnen den Befehl zum Stehenbleiben gab, brannte ein großes Feuer, dessen Flammen zum rötlichen Himmel hinaufleckten. Ein rotglühendes Licht lag über der ganzen Szenerie und verlieh den Gesichtern einen diabolischen Ausdruck.
    Die wichtigen Persönlichkeiten des Stammes, darunter auch Wemikwanit,

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