Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
Fortsetzung seiner selbst, das ihm auf gewisse Weise ein Leben nach dem Tod sichern würde. Holte ihn jetzt doch noch die Angst vor dem Tod ein?
Plötzlich wünschte er sich glühend ein Kind. Aber was wusste er schon darüber, wie die Beziehung zwischen einem Mann und seinem Kind aussah? Suchte er jetzt nach dem, wovor er so lange auf der Flucht gewesen war? Was hatte er einem kleinen Wesen zu bieten, das die Welt nach seinem eigenen Belieben formen würde? Was erwartete er von diesem kleinen Stück von sich… von diesem Teil seiner selbst, den er zeugen wollte? Ihm die Fackel weiterreichen, seinen Namen weitergeben, so wie sein Vater ihm? Ja, zweifellos, aber daran war auch viel mehr: Er spürte den Wunsch, ihm das unveränderliche Wesen seines Volkes weiterzugeben und dessen Seele, die es zu dem machte, was es war …
Noch ganz geschlagen von seinen Erkenntnissen schaute Alexander in die Ferne und ließ die Tränen kommen und über seine Wangen fließen, wie sie wollten. Ise mise Alasdair Cailean MacDhòmhnuill. Ich bin Alexander Colin Macdonald. Er sah, dass er in drei Zeiten existierte: ich bin, ich war, ich werde sein. Ich bin , das war er, ein Macdonald aus dem Clan Iain Abrach. Ich war benannte ihn als Sohn von Duncan Coll, Sohn von Liam Duncan, der wiederum der Sohn von Duncan Og war, Sohn des Cailean Mor, Sohn des Dunnchad Mor und immer so weiter, zurück bis in die Nacht der Zeiten. Und das ich werde sein bezeichnete ihn als Vater seines Sohns. Er stand für den gegenwärtigen Aspekt dieser Fortschreibung seines Volkes und war der Träger seines Blutes. Es war einzig und allein an ihm, das Versprechen, das er Caitlin Macdonald eines Tages gegeben hatte, einzulösen.
Er schaute zum Himmel auf, bewunderte die Milchstraße und dachte an seinen Großvater Liam. Ob er ihm seine Tat, durch die er zu Tode gekommen war, verziehen hatte? Eine Dummheit hatte er da begangen, eine schreckliche Dummheit, dachte er und biss die Zähne zusammen. Aber er war damals erst elf gewesen! Es änderte auch nichts mehr, wenn er sich das ganze Leben mit Schuldgefühlen quälte. Er musste endlich Frieden mit sich selbst und seiner Familie schließen …
Seit Tsorihia eingeschlafen war, schwieg Nonyacha und beobachtete den Mann, der seine Schwester begleitete. Als er zum ersten Mal in seine blauen Augen gesehen hatte, war ihm klar gewesen, dass er kein Tsonnontouan war. Der Mann mit der blassen Haut hatte ihn auf Französisch angesprochen, das jedoch einen Akzent hatte, und Irokesisch verstand er nicht. Ob er Engländer war? Der Indianer hätte dem Mann, den Tsorihia Weißer Wolf nannte, gern einige Fragen gestellt. Aber das konnte noch ein wenig warten …
Nonyacha dachte auch an dieses Gold, von dem die Franzosen aus Cahokia, deren Führer er gewesen war, erzählt hatten: Es war für Pontiac und seine Sache bestimmt gewesen, aber angeblich hatte ein kanadischer Händler es gestohlen. Seit er aus dem Kanu, in dem er wartete, das Gespräch zwischen Weißer Wolf und dem Tsonnontouan mit angehört hatte, war er überzeugt davon, dass der Mann, den er in seinem Boot aufgenommen hatte, den kanadischen Händler kannte und auch von dem Gold wusste. Ob er mit den Franzosen darüber sprechen sollte? Aber im Moment war es, eingedenk der Beziehung zwischen seiner Schwester und Weißer Wolf, besser, seinen Verdacht für sich zu behalten, ihn unter seinen Schutz zu nehmen und später mit Mathias Makons darüber zu sprechen.
Die langen Stunden im Kanu wurden zu Tagen. Sie hatten den Ontario-See überquert, in tiefster Nacht die Portage von Niagara zurückgelegt und den Erie-See erreicht. Jetzt näherten sie sich dem Detroit-Fluss. Die französischen Händler hatten zwei Tage Vorsprung vor ihnen; andererseits waren ihre Kanus schwer beladen, während sie mit leichtem Gepäck reisten.
Sie hatten sich darauf geeinigt, dass sie alle nach Fort Detroit fahren würden, falls Nonyacha die Franzosen nicht noch einholte. Dort würde Nonyacha Tsorihia in dem Dorf Pointe-à-Montréal zurücklassen, wo sich die Jesuitenmission nach der Zerstörung von Bois-Blanc eingerichtet hatte. Dann würde er zusammen mit den Franzosen nach Michillimackinac weiterreisen.
Sie hatten noch ungefähr eine Tagesreise vor sich. Die Dunkelheit hatte sie gezwungen, anzuhalten und auf einem Landstreifen namens Pointe aux Pins ein Lager aufzuschlagen. Tsorihia hatte ihr letztes Reisigbündel auf den Haufen am Feuer geworfen und ging zum See, der als
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