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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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das Bewusstsein dessen, was wir sind, wird unser Volk retten. Kennst du die Devisen der Clans, die dir dieses kostbare Erbe hinterlassen haben? Per mare, per terras, ne obliviscaris ; das heißt so viel wie über Meere und Länder sollst du nicht vergessen, wer du bist … Verstehst du? Vergiss niemals, wer du bist! Ich weiß wohl, dass du noch etwas jung bist, um das alles zu erfassen. Aber du trägst das Erbe deines Volkes in dir. Es ist deine Aufgabe, es zu bewahren, es weiterzugeben, um unsere Traditionen zu erhalten. In gewisser Weise vertraue ich dir eine Mission an, Alasdair. Deine älteren Brüder haben sich schon eingerichtet, haben Frau und Kinder. Natürlich sind Coll und John auch noch da. Ich vertraue darauf, dass du ihnen diese Botschaft übermittelst. Aber dir vertraue ich die Aufgabe an, meinen Traum zu verwirklichen. Wenn diese Rebellion scheitert, dann bedeutet es das Ende der Clans in Schottland, in unseren Bergen. Und das darf nicht sein …«
    »Aber was sagst du da, Großmutter? Wir werden sie schlagen! Wir werfen sie aus unserem Land!«
    »Also, ich weiß nicht … Ich will dir ein Geheimnis anvertrauen. Deine Mutter hatte eine ihrer Visionen. Darin waren unsere Täler leer. Niemand lebte mehr dort. Nur Ruinen waren noch übrig. Die Welt ist groß, Alasdair. Du musst unser Erbe in Sicherheit bringen. Es darf nicht verloren gehen. Nur wenn wir das schaffen, haben wir die Sassanachs wirklich besiegt. Deinen Geist, deine Seele… das können sie dir nicht nehmen … Versprich mir, Alasdair …«
    »Ich … ich verspreche es …«
     
    Eine Träne rollte über seine Wange und benetzte seine Lippen. Sie schmeckte ein wenig nach Bitterkeit. Damals war er ein Kind von dreizehn Jahren gewesen. Wie hätte er da die letzten Worte einer sterbenden alten Frau verstehen können? Seine Mutter Marion hatte nach der letzten Schlacht von Culloden, in der sie ihre Unabhängigkeit hatten zurückerobern wollen, eine Vision vom Exodus der Highlander gehabt. So hatte Großmutter Caitlin erraten, was geschehen würde, und versucht, es zu verhindern. Aber er hatte nichts verstanden. Es ging nicht darum, den Feind zurückzuschlagen, um ihr Volk zu retten. Der Kampf war sehr viel subtiler: Es ging um den Geist und die Erhaltung dessen, was ihr tiefstes Wesen ausmachte. Die einzige Freiheit des Menschen liegt in seinem Geist. Kein Gesetz, keine Drohung, keine Ketten können ihn bezwingen. Und auch das hatte seine Großmutter gesagt: Aber du trägst das Erbe deines Volkes in dir. Es ist deine Aufgabe, es zu bewahren, es weiterzugeben, um unsere Traditionen zu erhalten. Warum ging ihm erst jetzt der Sinn dieser Worte und des Versprechens, das er gegeben hatte, auf? Er trug einen indianischen Namen und befand sich zusammen mit drei Eingeborenen auf der Flucht in einem Kanu, mitten in einem Land, das nicht das seine war. Aber vielleicht hatte er das alles gerade erleben müssen, um zu begreifen.
    Doch um Wort zu halten, musste er aufhören, davonzulaufen, wieder an seine Herkunft anknüpfen und herausfinden, wer er wirklich war. Weißt du überhaupt, wer du bist?, hatte Coll ihn einmal gefragt. Alexander Colin Macdonald … Ja, aber was weiter ? Wer war dieser Alexander Colin Macdonald? Ich bin das! , hätte er antworten können. Diese Gewissheit des ich bin unterstützte die des ich war und des ich werde sein. Aber das war nicht genug.
    Die Existenz konnte eine furchteinflößende, zeitlose Vorstellung sein. Ich war, ich bin, ich werde sein . Die Triade des Seins. Drei Formen, die einander unentwirrbar umschlingen, um ein Ganzes zu bilden, das sich in der Zeit entwickelt. Die Kelten hatten schon vor urdenklichen Zeiten begriffen, dass jeder Mensch ein Kettenglied eines Volkes ist, das von der Zeit rücksichtslos geformt und gebeutelt wird. Er, Alexander Macdonald, war ein schwaches Kettenglied aus dem Volk der Highlander, an dem die Kette zerbrechen konnte, wenn er nicht achtgab. Er hatte das Gefühl, aus dem Nichts zu kommen, nirgendwo hinzugehen und keine Geschichte zu haben. Aber jetzt wurde ihm klar, dass das falsch war.
    Er war geflohen und verlor sich jetzt in einer Freiheit, die so unendlich war, dass er die Grenzen seines Wesens nicht mehr spürte. Mit einem Mal störte ihn das. In dieser Nacht, in der er zusammen mit Eingeborenen auf der Flucht war und einen indianischen Namen trug, überkam ihn mit einem Mal das Bedürfnis, an seine Wurzeln anzuknüpfen und Vater zu werden. Das Kind war eine Art

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