Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
gibt hier genug Witwen auf der Suche nach kräftigen Männern, die auf ihren Feldern arbeiten.«
Sie hielten sich jetzt schon länger als eine Woche in der katholischen Mission auf. Jeden Morgen sagte sich Alexander, dass sein Leben zum Alptraum werden würde. Die beiden Huronen hatten ihm zwar keine Fragen gestellt, aber sie warfen ihm oft Blicke zu, die ihn zu der Meinung brachten, dass sie alles über ihn wussten. Bestimmt warteten sie auf den richtigen Augenblick, vielleicht sogar darauf, dass Wemikwanit kam. Er hatte daran gedacht, mit Tsorihia darüber zu sprechen, die Idee aber verworfen. Je weniger sie wusste, umso sicherer war sie. Außerdem dachte er daran, zusammen mit ihr zu fliehen. Warum sollte er nicht nach Québec zurückkehren? Dort wohnte immer noch Finlay Gordon.
Doch er konnte nicht von Tsorihia verlangen, dass sie ihren sterbenden Vater verließ, den sie gerade erst wiedergefunden hatte. Seit ihrer Ankunft hatte er sie nur drei Mal treffen können. Er musste also abwarten und hoffen, dass er sich irrte, was die Absichten der beiden Huronen anging. Aber dieser Mathias Makons … er umkreiste die junge Frau wie ein Adler ein Lamm.
Mit einem frustrierten Knurren versetzte Alexander dem Stein, an dem er sich die Pflugschar zerbrochen hatte, einen Tritt. Bauer war wirklich kein Beruf für ihn! Da war er empfänglicher für den Ruf der Wälder, die gleich hinter den Feldern begannen. Heute hatte Madame Pinceneau ihn gebeten, ein Dutzend zusätzliche Furchen auf einem bereits gepflügten Feld zu ziehen. Der Boden war gerodet worden, aber es waren noch genug Wurzelreste und Steine übrig, die ihm die Arbeit erschwerten. Gar nicht zu reden von dem Werkzeug, das nicht besonders stabil war und mit den Hindernissen nur schwer fertig wurde. Also wirklich … Er hätte sich nicht hier niedergelassen, wo der Boden relativ karg war … Die Siedler in dieser Gegend lebten dermaßen schlecht, dass man Petite Côte schon in Côte de la Misère, also Ufer des Elends, umgetauft hatte!
»Herrgott noch einmal!«, brummte er mit zusammengebissenen Zähnen und wühlte im Schlamm, um das zerbrochene Stück Eisen zu finden.
Da spürte er, wie sich eine Hand auf seine Schulter legte und sie freundschaftlich drückte. Er fuhr hoch, stieß einen erstickten Schrei aus und erblickte Mathias Makons, der ihn ernst ansah.
»Komm mit.«
Ein wenig verwirrt sah Alexander dem Eingeborenen zu, der sich in Richtung Straße, wo ein Ochsenkarren wartete, entfernte und hinaufkletterte. Alexander warf einen Seitenblick zum Haus der Witwe und zögerte. Wenn die Frau feststellte, dass er einfach seinen Arbeitsplatz verlassen hatte, würde sie ihm bestimmt sein Abendbrot verweigern. Aber vielleicht war ja Tsorihia etwas zugestoßen. Böse Vorahnungen zogen ihm den Magen zusammen, und er beschloss, Mathias zu folgen.
Die junge Frau saß, den Hund zu ihren Füßen, auf der Bank vor dem Haus und starrte ins Leere. Ihre Augen waren trocken, aber es stand ein tiefer Kummer darin. Mathias hatte dem Schotten unterwegs erzählt, dass ihr Vater in der Nacht gestorben war.
Alexander setzte sich neben sie, aber er respektierte ihr Schweigen und sagte nichts. Menschen traten ins Haus und verließen es wieder. Pater Potier war gerade gegangen. Der alte Mann hatte sich wenige Stunden, bevor er seinen letzten Atemzug tat, noch taufen lassen und würde jetzt nach den Riten der katholischen Kirche bei der Kapelle Sainte-Anne, auf der anderen Seite des Detroit-Flusses, begraben werden. Das war die einzige Kapelle der Mission, aber die Gemeinde wuchs, sodass man bald eine weitere würde errichten müssen.
»Ich glaube, er ist glücklich gestorben«, murmelte Tsorihia.
Alexander nahm die Hand der jungen Frau und streichelte mit dem Daumen ihre Handfläche.
»Es tut mir leid. Ich verstehe deinen Kummer. Wenn du allein bleiben möchtest …«
Die Hand schloss sich fest um seine.
»Nein, bleib ruhig.«
Tsorihia sah aus ihren Obsidianaugen, die sich mit Tränen füllten, zu ihm auf. Alexander zog sie an seine Schulter, damit sie ihrer Trauer freien Lauf lassen konnte.
»Ich … ich weine um meinen Vater. Er war mein Vater, und ich kannte ihn nicht… Dieser Mann war ein Fremder für mich. Die einzigen Erinnerungen, die ich an ihn habe, sind ziemlich verschwommen und zeigen einen tapferen Krieger. Aber während der letzten Tage habe ich mit einem alten Mann gelebt, der halb blind und kaum noch bei Bewusstsein war. Ich weine um alles, was ich
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