Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
Macdonald?«
Er wollte schon antworten, als eine starke Faust ihn auf die Beine zog. Der andere Mann berührte die lange Narbe, die an seinem Kiefer entlanglief. Dann runzelte er die Stirn und riss ihm den linken Handschuh herunter. Alexander schwankte und sah in sein Gesicht, das jetzt kalkweiß geworden war.
»Bei allen Heiligen! Alas? Alas Macdonald? Bist du das wirklich, mein Alter?«
Mit einem Mal strahlte er vor Freude.
»Munro MacPhail … du alter Fettwanst!«
Alexander spürte, wie sein Cousin ihn fast an seiner breiten Brust erdrückte, sodass er seinen Atem als grelles Pfeifen ausstieß, und ihn dann vom Boden hochhob, als wöge er nicht mehr als eine Feder. Munro stieß einen Jubelschrei aus und setzte ihn wieder auf den Boden. Sein vor Vergnügen ganz rot angelaufenes Gesicht und seine feuchten Augen machten offenbar, wie glücklich er war, einen tot geglaubten geliebten Menschen wiedergefunden zu haben.
Die Reise war lang gewesen. Alexander ließ sich gegen die Lehne seines Stuhls sinken und streckte die Beine aus. Er hatte sich den Bauch mit drei dicken Scheiben Hirschbraten, ein paar Bechern Bier und einem letzten Glas Whisky vollgeschlagen. Die schmale Mondsichel war durch das schmutzige Fenster, das nie jemand zu putzen schien, kaum zu erkennen.
Die Gespräche waren nach und nach verstummt. Die Männer, die den ganzen Tag in der Kälte unterwegs gewesen waren, gingen schlafen. Munro war noch geblieben, trank sein letztes Bier und musterte seinen Cousin in glücklichem Schweigen. Eine unglaubliche Kette von Zufällen hatte ihn und seine Kameraden an die Stelle geführt, an der Alexander und Mathias Zuflucht gesucht hatten. Zunächst hatte ein Baum, der durch den Sturm umgestürzt war, ihren gewohnten Weg versperrt und sie zu einem Umweg gezwungen. Dann hatte Hundegebell ihre Aufmerksamkeit erweckt. Sie hatten geglaubt, es mit wilden Hunden zu tun zu haben, und die drei Tiere, die sich losgerissen hatten und in der Nähe eines jungen Tannengehölzes einen Schneehaufen umkreisten, eine Weile aus der Entfernung beobachtet. Neben ihnen befand sich in einem weiteren Schneehaufen ein vom Wind teilweise freigewehter Schlitten. Mehr hatten Munro und seine Kameraden nicht sehen müssen, um zu begreifen, dass dort Menschen eingeschneit waren. Eine Stunde später, und sie hätten sie erstickt vorgefunden.
Gleich, nachdem die Gruppe in Grand Portage eingetroffen war, hatte Alexander darauf bestanden, zu Jacob Solomon in dessen Schreibstube zu gehen. Der Amerikaner hatte ihn herzlich begrüßt und sich offenbar gefreut, ihn lebend wiederzusehen. Entweder wusste er nichts von dem Komplott zur Ermordung seines Geschäftspartners, oder er war ein überragender Schauspieler. Er berichtete ihm, von dem Moment an, in dem er die schreckliche Nachricht gehört habe, habe er Männer zu seinem Schutz eingestellt. Ob er von dem Gold wusste? Alexander, der es nicht hätte beurteilen können, erwähnte jedenfalls kein Wort davon. Er hatte gründlich genug von diesem Gold, das an ihm zu kleben schien und sein Leben in Gefahr brachte, und wünschte, es hätte nie existiert. Im Grund bedauerte er, dem Hollandais damals sein Wort gegeben zu haben. Solomon erzählte ihm auch, dass John eine Woche nach Alexanders Abreise hier gewesen sei.
Sein Bruder habe van der Meer dringend sprechen wollen. Als er feststellte, dass er zu spät kam, sei er bleich geworden und hatte etwas Gälisches hervorgestoßen, das Solomon für einen lästerlichen Fluch hielt. Er hatte seinen Männern Bescheid gegeben, dass sie im ersten Morgengrauen aufbrechen würden. Dann hatte Solomon ihm mitgeteilt, dass Alexander sich bei dem Händler aus Montréal befand. Sichtlich bestürzt hatte John gefragt, wovon er genau rede. Solomon hatte es ihm erklärt. Bleich wie der Tod und stumm hatte John seine Abreise vorverlegt. Innerhalb der folgenden Stunde hatte er Grand Portage verlassen, um nach Montréal zurückzukehren. Er hatte nicht einmal Munro getroffen, der an diesem Tag zum Holzholen eingeteilt war.
Einen Monat später hatte ein Bote die Nachricht von dem Massaker gebracht. Was sollte man jetzt aus alldem schließen? Eines war sicher: John hatte gewusst, dass jemand versuchte, van der Meer zu schaden, und dass sein Bruder sich bei dem Händler aufhielt. Konnte er aus seiner Reaktion schließen, dass er den Händler hatte warnen wollen?
»Und nun?«
Alexander riss den Blick vom Mond los und wandte sich seinem Cousin zu. Munro
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