Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
ungeduldig. Der Chevalier d’Ailleboust ließ beim kanadischen Adel eine Petition herumgehen, die forderte, Katholiken zu öffentlichen Ämtern zuzulassen. Neununddreißig Seigneurs hatten bereits ihre Unterschrift darunter gesetzt. Währenddessen war auch Walker mit einer Petition unterwegs, in der er die Schaffung einer gesetzgebenden Versammlung forderte, die nur Protestanten offenstehen sollte. Der neue stellvertretende Gouverneur hatte viel zu tun. Immerhin sorgte diese ganze Aufregung hinter den Kulissen dafür, dass in den Salons die Gesprächsthemen nicht ausgingen.
Die Kutsche hielt an. Der kleine Gabriel kletterte hinein und ließ seine Geige auf den Sitz gegenüber den beiden Frauen, die ihm zulächelten, fallen. Isabelle schaute ihren Sohn an und glaubte mit einem Mal, Alexander zu sehen: der gleiche volle, leicht schmollende Mund, der sich aber auch zu einem betörenden Lächeln verziehen konnte; die gleichen geraden, strengen Augenbrauen, der gleiche freimütige Blick. Natürlich waren Gabriels Züge die eines Kindes. Aber man konnte sich schon gut vorstellen, wie sein Gesicht später einmal aussehen würde.
»Und, wie war deine Stunde heute?«
»Nicht schlecht …«, gab Gabriel zurück und rutschte mit angestrengtem Gesicht auf dem Sitz herum. »Monsieur Senneville hat gesagt, ich b’inge meine Geige zum Weinen.«
»Deinem Vater werden auch die Tränen kommen, wenn er dich spielen hört!«, rief Isabelle lachend aus und kniff ihn in die Wange.
»Aber g’oße Monsieurs … ähem … Messieurs weinen doch nicht.«
»Es ist nichts Schlimmes daran, wenn man einmal eine Freudenträne vergießt, Gaby.«
Der Kleine zappelte immer noch und seufzte. Dann knatterte es auf dem Leder des Sitzes.
»Und das ist de’ Fanfa’enstoß, de’ die Ankunft von Gene’al Leb’un ankündigt!«, krähte er triumphierend.
»Gabriel!«, empörte sich Isabelle entsetzt. »Das gehört sich aber nicht!«
Marie tat, als hätte sie nichts gehört, und verbarg ihr Lächeln hinter vorgehaltener Hand.
»Aber Mama, bei meinem Geigenleh’e’ konnte ich doch nicht pupsen!«
»Hmmm … nein, natürlich nicht. Aber du hättest es wenigstens diskreter tun und uns diesen Spruch ersparen können!«
Isabelle hielt den Atem an und kramte mit einer Hand in ihrem Korb, während sie mit der anderen ihren Fächer bewegte. Sie zog einen Apfel hervor, den sie dem Kleinen reichte. Wirklich, sie musste Louisette anweisen, nicht mehr so häufig Kohlsuppe zu kochen.
»Schön. Morgen ist Samstag, und du hast keinen Unterricht. Wir fahren aufs Land zum Fest von Sieur d’Ailleboust. Da triffst du alle deine Freunde.«
Gabriel biss in die Frucht, und seine Miene verschloss sich. »Hü, Pauline!«, drang Basiles Stimme zu ihnen, und die Berline setzte sich knarrend in Bewegung. Isabelle bemerkte den wenig erfreuten Gesichtsausdruck ihres Sohnes und wurde nachdenklich ; normalerweise geriet ihr Sohn bei dem Gedanken an ein Picknick ganz aus dem Häuschen …
»Sophie wird kommen und ihr neues Hündchen mitbringen. Louis und Julien werden auch da sein! Sonst spielst du doch so gern mit ihnen!«
»Hmmm …«
Gabriel betrachtete die vorbeiziehenden Häuser und aß ein paar Minuten lang schweigend seinen Apfel.
»Was bedeutet eigentlich Basta’d, Mama?«
Als Isabelle begriff, welches Wort er meinte und auf wen gemünzt er es wahrscheinlich gehört hatte, blieb ihr der Mund offen stehen. Bastard. Ihr tat das Herz weh. Marie tat, als untersuche sie einen nicht vorhandenen Riss in ihrem Rock.
»Wo hast du das gehört, Gabriel?«
»Das wa’ Julien. E’ hat gesagt, ich wä’e ein Basta’d.«
»Julien weiß bestimmt nicht, was das Wort heißt und sagt es nur nach, um seine Freunde zum Lachen zu bringen.«
Sie versuchte nach bestem Vermögen, ihren Sohn zu beruhigen, aber das, was sie sagte, überzeugte sie nicht einmal selbst.
»Ist ein Basta’d dasselbe wie ein Schotte? Julien hat gesagt, ich hätte einen Schädel wie ein Schotte und ich wä’e ein englischer Ka’ottenkopf …«
»Englischer Karottenkopf?«
»… und dass die Fliegen auf die Englände’ scheißen, weil sie Aas wä’en …«, schloss der Kleine, schlug die Augen nieder und wies auf seine Wangen, die sich jedes Frühjahr mit Sommersprossen überzogen.
»Mein Engel, du weißt doch genau, dass das kein… Oh! Du wirst schon sehen, wenn du älter wirst, vergehen die Sommersprossen. Ich finde sie außerdem hübsch.«
Mehr fiel ihr nicht ein, um Gabriel
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