Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
mehr, woran ich bin.«
Alexander starrte in die Glut. Sein Körper stand in Flammen. Er hatte sich nicht entschließen können, die Hütte zu betreten. Der bloße Gedanke, sich möglicherweise eine Abfuhr einzuhandeln, hatte ihn auf der Eingangstreppe umkehren lassen. Seit mehr als zwei Monaten lebte Isabelle jetzt hier. Einmal abgesehen von den Ereignissen des heutigen Morgens fand er, dass sich ihre Beziehung im Schneckentempo entwickelte.
Auf der anderen Seite machte das Verhältnis zu seinem Sohn enorme Fortschritte. Gabriel nannte ihn jetzt »Papa Alex«. Dadurch wurde Pierre nicht vollständig aus seiner Erinnerung gestrichen, aber … was konnte er verlangen? So schwer es ihm auch fiel, sich das einzugestehen, Pierre war der Ziehvater des kleinen Jungen gewesen. Der Mann hatte ihm zu essen gegeben, ihn beschützt und … sicher auch geliebt, so wie er selbst es getan hätte. Er konnte das nicht einfach mit einem Fingerschnippen abtun und laut den Platz einfordern, der ihm von Rechts wegen zustand! Genauso wenig wie er verlangen konnte, dass Isabelle ihn in ihr Bett aufnahm … Doch er konnte sich ihre Zurückhaltung nicht erklären. War sie ihm nicht aus freien Stücken und unter Missachtung sämtlicher Konventionen hierher gefolgt?
Zweige knackten, und er spitzte die Ohren. Sofort bückte er sich nach dem Gewehr, das neben ihm auf dem Boden lag. Seit dem Vorfall mit dem Bären legte er die Waffe praktisch nicht mehr aus der Hand. Doch als er sich wieder aufrichtete und umdrehte, war er wie vor den Kopf geschlagen und ließ die Waffe fahren: Da stand Isabelle und schien in ihrem Nachthemd im Dunkel zu leuchten.
»Wir haben einander gar nicht gute Nacht gesagt. Du schläfst noch nicht?«
Fasziniert von dieser Vision brachte er kein Wort heraus und schüttelte nur den Kopf.
»Kann ich ein wenig bei dir bleiben? Drinnen ist es so heiß …«
Wie ein Schwachsinniger nickte er erneut. Lächelnd ließ Isabelle sich zu seinen Füßen nieder. Er schaute auf ihren Kopf hinunter, auf dem ausnahmsweise nicht die ewige Haube saß. Das durch ihren unruhigen Schlaf zerzauste Haar stand in alle Richtungen ab.
Isabelles Herz pochte, und sie wagte nicht, zu ihm aufzusehen. Der Anblick dieses mächtigen, tief gebräunten Körpers, der nur mit einem einfachen Lendenschurz aus Elchleder bekleidet war, hatte sie zugleich angerührt und erschreckt. Er strahlte eine rohe Kraft aus, die seine Muskeln schwellen ließ, sodass sie kurz vor dem Platzen zu stehen schienen.
Endlich beschloss Alexander, sich zu ihr auf den Boden zu setzen. Ein langes Schweigen trat ein.
»Warst du das eben, auf der Vortreppe?«
»Ja. Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken.«
»Ich habe nicht geschlafen.«
»Die Hitze?«
»Ja … und die verfluchten Mücken!«
Sie schlug kräftig auf eines ihrer Knie, das unter ihrem Nachthemd hervorschaute. Alexander schlug die Augen nieder und bewunderte die Kniescheibe und das Schienbein, die von dem goldenen Feuerschein sanft umrissen wurden. Isabelle befreite das Bein, das sie unter den Körper gezogen hatte, und streckte es aus, wobei sie die Rundung ihrer Wade, einen zarten Knöchel und einen schmalen Fuß zur Schau stellte… Er musste sich Gewalt antun, um sich nicht darüber zu beugen und ihr Bein zu küssen, zu liebkosen … Ein köstlicher Schwindel stieg in ihm auf. Er sah in ihr lächelndes Gesicht, das sich ihm zuwandte.
»Das war ein schönes Fest!«
»Ähem … ja. Gabriel ist sicher sofort eingeschlafen.«
»Ja. Er war erschöpft, aber überglücklich.«
»Und du?«
Sie ließ die Ereignisse des Tages noch einmal an sich vorüberziehen, lächelte und seufzte dann. Es war einer der schönsten Tage ihres Lebens gewesen.
»Ich glaube, ich habe mich schon lange nicht mehr so gut unterhalten.«
»Eure Lebensfreude steht Euch sehr gut zu Gesicht, Madame.«
Ehrerbietig neigte er den Kopf.
»Ihr seid sehr liebenswürdig, Monsieur.«
»Um eine so schöne Frau wie Euch zu erfreuen, wäre ich sogar freundlich zum Teufel in Person.«
»Alex! Ich sehe doch aus wie eine Vogelscheuche!«
Sie versetzte ihm einen Rippenstoß, zog dann eine Grimasse und streckte die Arme aus, um eine Vogelscheuche nachzuahmen.
»Das war mir ernst.«
Verwirrt lächelte sie, schaute zu dem niedergebrannten Feuer und gab keine Antwort.
»Wohin bist du gegangen, als ich Gabriel ins Bett gebracht habe? Als ich wieder nach draußen kam, habe ich dich nicht gefunden.«
»Ich war am Fluss, um mich zu
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