Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
ganz eigener Gott will keine Kriege, Massaker an Kindern oder Vergewaltigungen. Er will nicht, dass ich stehle, um mich aus Gier zu bereichern, sondern dass ich teile, selbst wenn alles, was ich besitze, die Luft ist, die mich umgibt. Mein Gott will, dass die Menschen in Frieden und Liebe leben.«
Wieder trat ein schwer auf ihnen lastendes Schweigen ein. Angesichts der Wendung, die ihr Gespräch genommen hatte, wusste Isabelle nicht mehr, was sie tun oder denken sollte. Hatte sie Alexander nicht selbst aufgefordert, sie zu verführen, ihr Herz zu gewinnen? Hatte sie ihn heute Morgen in ihrem Bett nicht noch leidenschaftlich geküsst und war zu allem bereit gewesen? Später hatte sie sich sogar enttäuscht gefühlt, weil er sie nicht gebeten hatte, ihr Bett teilen zu dürfen. Und nun saß sie halb nackt vor ihm und benahm sich wie ein verängstigtes Schaf gegenüber einem großen bösen Wolf, der es fressen wollte, und versteckte sich hinter religiösen Geboten! Was wollte sie nun wirklich? Das wusste sie genau, das war gar nicht die Frage. Aber sie hatte schreckliche Angst davor, wieder mit Alexander zu liegen, und jeder Vorwand war ihr recht, um diesen Moment hinauszuschieben.
Alexander bewegte sich schroff. Auch er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Dieser Tag war so vollkommen gewesen, und er wollte ihn nicht verderben. Aber Isabelles Widerstand verletzte ihn. Was hatte sie sich denn dabei gedacht, als sie mit nichts als einem dünnen Hemd, das nichts verbarg, zu ihm herausgekommen war? Er begriff ihr Benehmen überhaupt nicht mehr.
»Isabelle«, flüsterte er und wagte es, flüchtig ihren Kiefer zu berühren, »ich begehre dich … Es ist doch nicht, als wären wir einander vollständig fremd. Wir haben ein Kind zusammen …«
»Du könntest auch in den Wald gehen, um dich zu erleichtern!«, stieß sie scharf hervor und machte sich abrupt von ihm los.
Die Worte waren ihr herausgerutscht. Sofort hasste sie sich dafür und biss sich so heftig auf die Zunge, dass der Geschmack des Bluts sich mit der Bitterkeit mischte, die sie im Mund spürte. Schockiert ließ Alexander seine Hand noch einen Moment im Leeren schweben.
»Mich erleichtern? Glaubst du, alles, was ich von dir will, ist…? Mo chreach! Wenn das so wäre… Eine willige Frau, die sich bezahlen lässt, finde ich überall, Herrgott!«
»Das Gefühl habe ich allerdings auch, Alex! Es müssen doch zahllose Frauen durch dein Bett gegangen sein!«
»What? God damn! Wovon redest du? Natürlich bin ich nicht aus Holz!«
Während er sich empört vor ihr aufrichtete, sah sie, wie Gesichter vor seinem inneren Auge vorbeizogen: das des hübschen Schankmädchens in der Weinstube, in der er sich in Québec gern amüsiert hatte und mit der sie ihn an einem Abend, an dem sie ein wenig Trost gesucht hatte, unter einem Tisch ertappt hatte; und auch Mikwanikwes Gesicht … Die Eifersucht war stärker als sie, und sie vermochte sich nicht zurückzuhalten.
»Das weiß ich allerdings! Ich habe genau gesehen, welche Blicke du Mikwanikwe zuwirfst. Und so, wie sie sich verhält, vermute ich, dass sie sich bereits erboten hat, deine Laken zu wärmen… falls es nicht schon geschehen ist. Hast du mit ihr zusammengelegen, Alex?«
Alexander blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen, und er vermochte nicht gleich zu antworten. Wenn er ihr die Wahrheit gestand, würde Isabelle ihn endgültig verurteilen.
»Antworte mir, Alex! Ich habe von den Pelzhändlern genug anzügliche Geschichten gehört, um zu wissen, dass die Indianerinnen da sehr entgegenkommend sind. Es heißt, sie seien besonders verständnisvoll, wenn es um eure männlichen ›Bedürfnisse‹ geht… und auch sehr fantasievoll.«
»Diese Bemerkung passt nicht zu dir, Isabelle, sie ist unter deiner Würde!«
»Hast du mit ihr geschlafen? Sicher bezahlt man bei diesen Frauen auch mit Tand und Flitterkram, stimmt’s?«
Völlig außer sich explodierte er.
»Ja, ich habe mit Mikwanikwe geschlafen. Aber ich untersage dir, in diesem Ton von ihr zu sprechen!«
Isabelle riss Mund und Augen auf. Sie hatte eine Ahnung gehabt… aber dass er ihr das so unumwunden gestand … Das fühlte sich an wie ein Dolchstoß mitten ins Herz. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie wieder sprechen konnte.
»Du elender Lüstling! Du schläfst direkt vor meiner Nase mit der Frau deines Cousins? Und dann wagst du, mich über meine Gefühle für Pierre zu verhören, der immerhin tot ist? Du … du … Also, ich fasse
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