Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
Handelsposten mitgebracht hatte, mit lautem Quieken. Das Tier, das eigentlich die Weihnachtstafel hätte schmücken sollen, hatte einen Aufschub bis Ostern erhalten. Isabelle hatte sich nicht entschließen können, es zu schlachten: Sie erinnerte sich noch zu gut an den Tränenausbruch ihres Bruders Ti’Paul, als er damals in Québec seinen Spielkameraden Blaise als Mittelpunkt eines Silvestermahls entdeckt hatte, auf einem Bett aus Kartoffeln und mit einer Aspikschicht überzogen. Sie wollte Gabriel, der sich mit Géraldine angefreundet hatte, den gleichen Kummer ersparen und hatte Alexander überzeugt, dass ein Braten aus dem Reh, das er erlegt hatte, ebenso gut wäre und sie mehr davon hätten, das Schwein bis zum Frühjahr zu mästen.
Mit dem Fuß stieß sie das Tier beiseite, das daraufhin ein schrilles Quietschen ausstieß, bezeichnete dem Gast eine Bank und ging zu Marie, die sich bei ihrem Eintreten auf einen Ellbogen hochgestützt hatte. Ihr Blick wirkte glasig, und ihre Haut war wachsbleich. Ihre Stirn war immer noch heiß, aber das Fieber war gesunken.
»Sieht aus, als ginge es dir ein wenig besser.«
Sie war erleichtert. Zur Antwort erhielt sie ein Stöhnen und einen Hustenanfall, während sie den Breiumschlag vom Fußboden aufhob. Das Dienstmädchen legte sich wieder hin und schloss die angeschwollenen Augen.
»Ich mache dir einen Kräutertee.«
Isabelle legte ein Scheit aufs Feuer und goss Wasser in den Kessel, der auf dem Rost darüber stand. Ein paar verstohlene Blicke bestätigten ihr, dass der schweigend dasitzende Mann jede ihrer Bewegungen verfolgte.
»Ist Euer Gatte Trapper?«
Sie steckte das Messer in den Zucker, der zu einer festen Masse zusammengeklebt war, und hackte darauf ein, um kleine Stücke abzulösen.
»Ähem … ja. Ich dachte, Ihr kennt ihn?«
»Das habe ich nie behauptet«, entgegnete der Mann lächelnd. »Ich sagte nur, dass einige Männer am Handelsposten ihn kennen. Ich selbst bin nur auf der Durchreise und hatte nie das Vergnügen, ihm zu begegnen. Doch man hat mir erzählt, er sei dabei, mit seinen Pelzen ein hübsches kleines Vermögen zusammenzutragen …«
»Ein Vermögen?«
Unsicher hob Isabelle den Kopf. Das hohlwangige Gesicht des Mannes mit seinem ewigen Grinsen nahm einen verschlagenen Ausdruck an, der ihr nichts Gutes verhieß. Mit einer weit ausholenden Bewegung umfasste sie die einräumige Hütte.
»Wie Ihr sehen könnt, ersticken wir geradezu im Luxus!«
Lavigueur zuckte die knochigen Schultern. Mit den langen, aufgesprungenen Fingern trommelte er auf den Tisch und ließ die grauen Augen im Raum umherschweifen.
»Nun … jedenfalls erzählt man sich das, Madame.«
Nervös ließ Isabelle eine Handvoll Teeblätter in die FayenceKanne fallen. Mit klopfendem Herzen schloss sie den Deckel der Blechdose wieder und legte das Kräutersäckchen zum Ziehen in eine Schale. Dann ging sie zum Kamin, um den dampfenden Kessel mit Hilfe eines Geschirrtuchs hochzuheben. Dabei musste sie über Géraldine hinwegtreten, die den Rüssel in ihren leeren Trog steckte und vorwurfsvoll grunzte.
»Hat dieses Haus nicht früher einem Holländer gehört? Einem Pelzhändler, glaube ich …«
Einem Holländer? Reglos stand Isabelle da, während diese Information in ihr Hirn einsickerte und unangenehme Erinnerungen erweckte. Sie fühlte sich immer unwohler in ihrer Haut. Sie trat zurück an den Tisch und goss zuerst Wasser in die Teekanne, dann in die Schale, wobei sie dem Blick des Mannes auswich.
Lavigueur musterte die Frau. Er fand sie hübsch und hätte sich gern mit ihrem weichen, goldblonden Haar beschäftigt, dessen Duft er gerochen hatte, als er ihr über den Weg gefolgt war. Schade, dass sie schwanger war und bald niederkommen würde. Er hätte sie gern auf diesem Tisch genommen … Der Schotte hatte wirklich nicht lange gebraucht, um sie in sein Bett zu bekommen, der Glückspilz.
»Es heißt, dieser Hollandais habe ein enormes Vermögen besessen. In Gold, behauptet man.«
Isabelle hielt mitten in der Bewegung inne und starrte auf die Teekanne, die sie fest umklammert hielt. Warum erzählte dieser Mann ihr von van der Meer? Und was sollte diese Andeutung, dieses Haus habe einmal ihm gehört? Da irrte der Fremde sich sicherlich. Mit gereizter Miene stellte sie die Kanne vor ihn hin.
»Man muss nicht jedem Gerücht Glauben schenken, Monsieur Lavigueur! Dieses Haus hat mein Mann gebaut. Was wir besitzen, hat er im Schweiße seines Angesichts und mit harter
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