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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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bestürzt fest, in welchem Zustand er war, nämlich in keinem besseren als seine Knochen! Hinkend ging er in dieselbe Richtung weiter, die der Passant eingeschlagen hatte. Vielleicht würde er ja auf demselben Weg zurückkommen.
    Als er das in eine Kaserne umgewandelte ehemalige Jesuitenkolleg passierte, war es ganz dunkel geworden. Vor einer Taverne verhielt er den Schritt. Ihm war, als spüre er wieder die lärmende Stimmung, in die er sich einst nach seinem abendlichen Patrouillengang gestürzt hatte, und er dachte an die Weinstube zum Rennenden Hasen. Was wohl aus Émilie geworden war? Warmes, goldfarbenes Licht fiel durch das Fenster des Lokals und lud ihn zum Eintreten ein. Warum sollte er nicht ein Glas trinken? Außerdem musste er sein Bein ausruhen. Ehe er die Überfahrt antrat, sollte er sich einen neuen Stock besorgen.
    In der verrauchten Taverne zum Blauen Hund herrschte fröhliches Stimmengewirr. Der Trubel wirkte auf ihn so vertraut wie in seinen Erinnerungen. Allerdings waren keine Rotröcke mehr zu sehen. Das Lokal wurde nur von Kanadiern besucht. Alexander setzte sich an die Theke und bestellte sich einen Whisky.
    Während er in aller Ruhe sein drittes Glas trank, beobachtete er die Gäste. Sein Blick blieb an den Rundungen der Schankmagd hängen, die sich zu einem Kunden hinunterbeugte. Braune Haarsträhnen schauten unter der Haube hervor und kringelten sich in ihrem zarten Nacken. Sie kam ihm bekannt vor. Dann sagte der Mann etwas, und sie lachte laut. Als sie sich aufrichtete und umdrehte, stieß Alexander einen leisen Seufzer der Erleichterung aus: Es war nicht Émilie.
    Alexander fand, dass er genug getrunken hatte. Er leerte sein Glas in einem Zug und wandte sich zum Gehen. Ein Mann, der an einem benachbarten Tisch saß, erhob sich gleichzeitig mit ihm und stieß ihn an.
    »Verzeiht mir mein Ungeschick, Monsieur …«
    Der Unbekannte sah ihn mit merkwürdiger Miene an.
    »Nichts geschehen.«
    Alexander fing den Blick des Mannes auf und fühlte sich unangenehm berührt.
    »Kennen wir uns?«
    »Schon möglich. Seid Ihr nicht Monsieur Alexander Macdonald, einstmals Soldat im Regiment der Fraser Highlanders?«
    »Nun ja … kommt darauf an, was Ihr von diesem Mann wollt.«
    »Dann erinnert Ihr Euch nicht an mich, Monsieur Macdonald ?«
    Dieser Kanadier mit den pechschwarzen Augen, der ihn ohne jede Feindseligkeit musterte, faszinierte Alexander. Er trat einen Schritt zurück und betrachtete ihn. Nach seiner Kleidung zu urteilen, war er zweifellos von Adel. Höflich zog der Mann seinen mit einer Feder geschmückten Filzdreispitz, wobei langes braunes Haar zum Vorschein kam, das im Nacken ordentlich mit einem Band zusammengehalten wurde.
    »Nein …«
    Sein Gegenüber strahlte eine aristokratische Arroganz aus, die allerdings nicht ganz über seine etwas provinziellen Manieren hinwegtäuschte. Seine gleichmäßigen, angenehmen Züge kamen Alexander vage bekannt vor, nichts weiter.
    »Fähnrich Michel Gauthier de Sainte-Hélène Varennes aus der Kompanie von Deschaillons de Saint-Ours«, erklärte der Unbekannte und knallte die Hacken zusammen. »Ich bin der Offizier, dem Ihr bei der Schlacht auf den Höhen das Leben gerettet habt. Erinnert Ihr Euch jetzt?«
    Verblüfft sperrte Alexander den Mund auf. Der Mann lachte schallend, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und lud ihn ein, sich an seinen Tisch zu setzen.
    »Ich stelle erfreut fest, dass Eure Verletzung nicht allzu schwer war und Ihr Eure Stimme noch besitzt. Ihr sprecht ein außerordentlich gutes Französisch.«
    »Ja … also …«
    »Demnach seid Ihr nicht in Eure Heimat zurückgekehrt, mein Freund? Ähem … Ich darf doch ›mein Freund‹ zu Euch sagen?«
    »Wenn Ihr wünscht, Monsieur.«
    »Ich betrachte Euch nämlich als meinen Freund … und ich würde gern der Eure sein.«
    »Ähem … ja, sicher …«
    Alexander ließ sich auf einen Stuhl hinunterdrücken. Michel Gauthier, der den Schotten schon eine Weile beobachtet hatte, hatte bemerkt, was er trank. Er bestellte eine Flasche von dem besten Whisky, den das Lokal zu bieten hatte, und schenkte seinem Freund einen großzügigen Schluck ein.
    »Erzählt doch, was Ihr in den vergangenen Jahren so getrieben habt!«
    Die beiden plauderten freundschaftlich. Nach drei Gläsern Whisky war Alexander entspannt und wurde gesprächiger. Michel interessierte sich sehr für die Schachzüge Murrays und Amhersts, die zur Kapitulation der Kolonie geführt hatten. Er kommentierte die

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