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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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allergrößten Respekt. Die schreckliche Geschichte hätte eigentlich seine Furcht vor den Eingeborenen noch verstärken müssen, aber sie stachelte seine Neugierde nur noch weiter an. Schon mehrmals waren sie unterwegs einigen Algonquins begegnet, doch die hatten sich in keiner Weise angriffslustig gezeigt. Im Gegenteil, sie fuhren oft ein Stück neben ihnen her, plauderten freundschaftlich und tauschten direkt auf dem Wasser ein paar Felle gegen kleinere Gegenstände. Waffen, Schießpulver und die größeren Handelswaren, die sie mitführten, waren allerdings für den Tauschhandel am Handelsposten Grand Portage vorgesehen. Dorthin kamen die Ojibwas, die Potawatomis und Indianer anderer Völker der Gegend, die den ganzen Winter hindurch gejagt hatten, um sich jetzt das Notwendige zur Ergänzung ihrer schmalen Kost zu verschaffen. Die Felle wurden dann sorgfältig ausgewählt und gewogen, und es wurde geschachert, um einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen. Aber im Moment schien dieser Handelsposten sich noch am Ende der Welt zu befinden.

4
Der Weg der Einsamkeit
    Am Morgen des 27. Mai lief van der Meers kleine Flottille, nachdem sie eine Reihe von Inseln aus Granitgestein umfahren und die gefährlichen Stromschnellen von Dallas hinter sich gelassen hatte, in die beeindruckende Baie Georgienne, von den Engländern Georgian Bay genannt, ein. Eine milde Brise wehte von achtern und überzog die Wasseroberfläche mit kleinen Wellen. »Der Wind ist günstig!«, schrien die Männer voller Freude. Das Wetter war perfekt. In jedem Boot befestigte man ein Paddel, an das man zuvor ein kleines Segel gebunden hatte, an der Ruderpinne. So kamen sie schneller vorwärts.
    Die Landschaft hatte sich völlig verändert. Nach den engen Felskorridoren mit ihren schäumenden Wassern fuhren sie jetzt durch offene Weiten. Sie befanden sich auf einem Süßwassermeer mitten auf dem Kontinent. Dann waren die Geschichten, die Alexander gehört hatte, also wahr. So kreuzten sie zwischen Inseln hindurch, die das Archipel von Manitoulin bildeten; Tausende von Wasser umschäumte Felsbrocken, die oft von Nadelbäumen gekrönt waren, sodass man sie für riesige Blumentöpfe hätte halten können. Dann legten sie die letzte Portage zurück, die von Sault Sainte-Marie, die den Huron-See mit dem Oberen See verband und wo einmal eine Jesuitenmission gestanden hatte. Schließlich legten sie an der Pointe de Pins einen Halt ein. Wie gewohnt brachen sie vor Tagesanbruch wieder auf. Der große Obere See lag eingerahmt zwischen zwei düsteren Felsmassiven, die aus dem Nebel auftauchten, vor ihnen. Das Gros Cap und die Pointe Iroquois erhoben sich aus dem glitzernden Wasser, das sich erstreckte, so weit das Auge sehen konnte.
    »Rauchpause!«, schrie der Führer.
    In einer einzigen, inzwischen gut eingeschliffenen Bewegung wurden die Ruder in den Kanus verstaut, die weiter durch ein Seerosenbeet glitten. Jeder zog seine Pfeife und seinen Tabak aus seiner Gürteltasche. Sekunden später schwebte eine duftende Wolke über der Flottille, die still vor der majestätischen Landschaft vorüberglitt.
    »Das soll ein See sein?«, murmelte Alexander in sich hinein.
    »Beeindruckend, was?«, gab le Revenant zurück und zog in dem grellen Licht die Augen zusammen. »Ich bin mir sicher, dass es keinen größeren See auf der Welt gibt. Wenn ich mich irre, soll mich der Blitz treffen.«
    Er sah nach oben, wandte die offenen Hände gen Himmel und wartete einen kurzen Moment. Dann lachte er.
    »Das sage ich jetzt bestimmt zum zehnten Mal, und noch nie ist mir der Himmel auf den Kopf gefallen. Dann muss es ja wohl wahr sein!«
    Munro schüttelte sein Haar, um den Mückenschwarm zu vertreiben, der sie eingeholt hatte.
    »Mac an diabhail! «, fluchte er und klatschte auf seinen Hals. »Damn midgets! « Verfluchte Viecher!
    »Was willst du, Cousin, die Mücken sind halt verrückt nach Rum!«, neckte ihn Alexander und zerquetschte selbst ein Insekt auf seinem Schenkel.
    Die fantastische, ewige Landschaft wirkte kahl und zugleich seltsam freundlich. Das Blau des Wassers strahlte bis auf die felsigen Ufer aus. Diese Natur mit ihren steilen Felswänden und mächtigen Landzungen schien seit Anbeginn der Welt zu schlummern, als hätte die Zeit keine Macht über sie.
    Zwei Reiher überflogen sie in Richtung Osten. Am Ufer kaute ein Elch sein Frühstück und warf den Kanus gelegentlich einen Blick zu. In der Stille schloss Alexander die Augen und lauschte seinem Herzen, das im

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