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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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Inneren tobte ein heftiger Sturm. Nicht weit von ihm hatten sich einige Schläfer unter die umgedrehten Boote geflüchtet. Etliche andere Voyageurs hatten es, genau wie er selbst, vorgezogen, unter freiem Himmel zu nächtigen. Ein paar Fuß vom Wasser entfernt lagen zwei Kanus, die nicht benutzt wurden. Wenn er wollte, könnte er eines davon nehmen und sich mit der Strömung treiben lassen.
    Alexander rieb immer noch das Stück Papier in der Hand und sah zu der Stelle hinüber, an der van der Meer schlief. Im Mondlicht leuchtete die Plane. Es wäre so einfach, so einfach… Dann hörte er wieder die Stimme des alten Pelzhändlers: Ich weiß, was das Ehrenwort eines Schotten, der sich selbst achtet, wert ist. Versprecht mir, dass Ihr für die Menschen tun werdet, was Ihr könnt, Alexander. Er hatte ihm sein Ehrenwort gegeben. Aber was war sein Wort wert? Zehntausend Pfund? Nein, viel mehr … Seine Ehre war unbezahlbar.
    Behutsam steckte er das Papier in seinen Sporran 19 , der an seinem Gürtel hing. Als er sich ein letztes Mal zum Unterstand des Hollandais’ wandte, meinte er, eine Bewegung wahrzunehmen. Beobachtete van der Meer ihn? Er wartete ein paar Sekunden, dann legte er sich wieder hin und schloss die schweren Augen.
     
    Am nächsten Morgen brachen sie, so wie an jedem Tag, bis sie Grand Portage erreichen würden, eine Stunde vor Sonnenaufgang auf. Während das Kanu beladen wurde, hielt Alexander es an der vorderen Spitze fest. Da sah er den Hollandais auf sich zukommen. Der Mann musterte ihn lange.
    »Gut geschlafen, mein Freund?«
    »Einigermaßen, Monsieur.«
    »Das ist gut, sehr gut.«
    Dann lächelte er unmissverständlich, zog den Hut und wandte sich ab. Alexander spürte, wie sein Herz heftig klopfte. Der Mann wusste genau, welche Gedanken ihm den Schlaf geraubt hatten.
     
    Die Tage vergingen zum Rhythmus der Lieder, die sie im Takt ihrer Ruderschläge sangen, und die majestätischen Landschaften, die vorüberzogen, erinnerten Alexander daran, wie klein doch der Mensch ist. Es war nicht leicht, diese wilde, gnadenlose Natur zu zähmen.
    Bis Grande Chaudière trafen sie auf keine Hindernisse. Dort allerdings mussten sie eine Portage von sechshundertfünfundvierzig Schritten bewältigen, die an einem Wasserfall vorbeiführte, und sich nass spritzen lassen. Dann folgte die lange, beschwerliche Portage von Grand Calument, die nicht weniger als zweitausend Schritte lang war.
    Sie passierten die Île aux Alumettes, erreichten die Stromschnellen von Joachims und paddelten in einem Höllentempo bis zur Flussgabelung des Mattawa, wo sie die Richtung zu den Großen Seen einschlugen. Nach zahlreichen Hindernissen, die sie im Mattawa-Fluss antrafen, lagen noch eine kleine Überfahrt über den Nipissing-See und ein Stück auf dem Rivière des Français vor ihnen.
    Manchmal ruhig, manchmal stürmisch umfloss das Wasser ihre Ruder und trug sie an kleinen oder großen sandigen Buchten vorüber. Gelegentlich sah man die kleinen schwarzen Augen der Moschusratten blitzen. Der Fluss strömte zwischen Felswänden hindurch und folgte dem Weg, den vor Tausenden Jahren die Gletscher gegraben hatten. Als sie sich zurückzogen, hatten sie Felsen zurückgelassen, die mit dem Menschen verglichen oft gigantisch waren. Die spektakulären Landschaften erinnerten Alexander an seine schottische Heimat und versetzten ihn in nostalgische Stimmung.
    Nicht weniger als sechsunddreißig Portagen, von denen einige relativ kurz, andere dagegen lang und mühselig waren, lagen zwischen Lachine und Grand Portage. Wenn sie an Stromschnellen kamen, mussten die Ruderer anhalten und vorsichtig ihre Fracht ausladen. Da sie dabei oft im Wasser standen, ließen sie ihre Beinlinge und Mokassins oft im Trockenen und arbeiteten nur in Brayet 20 und Hemd. Als er die halbnackten Männer beobachtete, ging es Alexander durch den Kopf, dass ein Kilt viel praktischer gewesen wäre; außerdem hätten sie damit besser ausgesehen als mit diesem Stofffetzen.
    Für den Transport der Boote war dieser Aufzug praktisch, doch er setzte die Männer auch den Mücken aus. Unter den Attacken ganzer Schwärme dieser blutrünstigen Insekten schnappte sich Alexander einen oder zwei der Ballen, die jeder neunzig Pfund wogen, und lud sie sich auf den Rücken, wo sie mit Hilfe eines tomlan genannten Lederriemens, der über seine Stirn verlief, festgehalten wurden. Er beugte sich unter seiner schweren Last, als trüge er das ganze Unglück der Welt auf den Schultern, und

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