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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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lassen und ein normales Leben zu führen? Sie wagte nicht, sich eine Antwort auf ihre Fragen zu geben. Sie stellte sich Charlotte unter den dick geschminkten Mädchen vor, die vor gewissen Schenken oder an den Stadtmauern spazieren gingen und ihren einzigen kostbaren Besitz, ihren Körper, verkauften, um etwas zu essen zu bekommen. Sie, Isabelle, ging an ihnen vorüber und wagte nicht, sie anders als von oben herab anzusehen, womit sie sie zum Bodensatz der Gesellschaft degradierte und nur noch weiter zu der Demütigung beitrug, der sie sich aussetzen mussten, um trotz allem ihr schwieriges Leben zu fristen.
     
    Isabelle beobachtete eine junge Frau, deren Gesicht mit einer dicken, weißen Schicht Schminke bedeckt war, die riss, wenn sie ihr affektiertes Lächeln aufsetzte. Ihre knallroten Wangen leuchteten, und dicht neben den ebenso stark angemalten Lippen klebte ein Schönheitspflästerchen aus Samt. Doch sie war die Tochter eines Grundbesitzers aus Trois-Rivières, an dessen Namen Isabelle sich nicht mehr erinnerte. Blaues Blut floss in ihren zarten Adern, unter der Haut, die sie sorgsam vor der Sonne schützte, um ihren milchweißen Teint, das Zeichen ihrer Stellung, zu erhalten.
    Ihr tiefer Ausschnitt verlockte alle Männer um sie herum, hineinzuschielen. Jedes Mal, wenn sie sich bewegte, hüpften ihre hübschen, vollen Brüste fröhlich. In ihrem gepuderten Haar trug sie diamantbesetzte Nadeln, dazu zwei Reihen Perlen am Hals und eine am Handgelenk und Granatohrringe in den Ohren … Diese Frau brauchte ganz offensichtlich nicht zu betteln, damit sie etwas zu essen hatte. Sie war die Mätresse eines reichen Kaufmanns aus Montréal. Und doch, verkaufte eine solche ausgehaltene Frau nicht auch ihre Gunst?
    Und vor allem, warum zum Teufel sollten die Frauen ihre Schönheit auf diese Weise einsetzen? Wenn Gott sie nur geschaffen hatte, damit sie dem Manne untertan und ihm gehorsam waren, warum hatte Er sie dann zusätzlich zu ihrem Äußeren noch mit Verstand ausgestattet? Die Kirche reduzierte sie auf ihre Fähigkeit, Kinder zu gebären und warf ihnen vor, dem Bösen zu dienen; doch das diente nur dazu, das Verhalten der Männer zu rechtfertigen, die ihren Trieben gehorchten und zugunsten der Lust die Liebe vergaßen. Die Frau musste ihren Nutzen daraus ziehen.
    Ob reich oder arm, Isabelle kam es vor, als könne eine Frau ihr Los nur verbessern, indem sie ihre Schönheit einsetzte. Sie dachte an die Marquise de Pompadour, die Mätresse des viel geliebten Königs Ludwig, von der es hieß, sie liege im Sterben. Sie erinnerte sich an die schöne Angélique Péan, die Intendant Bigot mit Gunstbeweisen überzeugt hatte. Worin unterschieden sich letztendlich solche Frauen von armen Mädchen wie Charlotte? Alle setzten ihre Verführungskraft ein, um von den Männern das zu bekommen, was sie brauchten. Nur ihre Ansprüche waren unterschiedlich.
    Sie dachte an Pierre, dem sie jetzt schon seit sieben Monaten die ehelichen Rechte verweigerte. Ein einfaches Zwinkern, ein gewisses Lächeln wären genug … Wenn du willst, kannst du von jedem Mann alles bekommen, was du dir wünschst. Verstehst du das? Ein Wimpernschlag, ein Lächeln, und er wirft sich vor dir in den Staub, Isabelle. Welch scharfe Waffen ihr Frauen doch besitzt, um die Herzen der Männer zu erobern und zu beherrschen! Heute ging ihr die ganze Bedeutung von Alexanders Worten auf.
    Isabelle wandte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch zwischen Cécile Sarrazin und einigen Bekannten. Auf dem mit vergissmeinnichtblauem, grün gestreiftem Brokat bezogenen Sofa saß sie zwischen Françoise Rovray und der jungen Perrinne-Charles Cherrier, der Tochter des Notars Cherrier aus Saint-Denis, und übte sich in Zurückhaltung. Cécile Sarrazin verlieh ihrer Unzufriedenheit mit den Diensten ihrer Schneiderin Ausdruck, die jedes Mal mehr für die Anfertigung eines Kleides verlange. Sie musste allerdings zugestehen, dass die durchtriebene Person einen guten Geschmack bei Stoffen hatte und die Kleidungsstücke so zu schneidern verstand, dass sie ihre Figur vorteilhaft zur Geltung brachten …
    »Wie schrecklich!«, rief Perrine-Charles plötzlich mit unangenehm schriller Stimme. »Habt Ihr Muriel Johnston gesehen, dahinten?«
    »Also wirklich, diese Engländerinnen haben überhaupt keinen modischen Geschmack!«
    Françoise neigte den Kopf, sodass ein feiner Schnee auf ihre fetten Schultern rieselte, und musterte die junge Frau mit fachmännischem

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