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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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zu werden wie sein Vater; aber er konnte sich nicht vorstellen, sein ganzes Leben lang Ziegel und Steine aufzuhäufen. Das Maurerhandwerk war ein ehrenhafter Beruf, doch er strebte nach Höherem. Da er überdurchschnittlich intelligent war, hatte er mit der Hilfe eines Onkels früh lesen und schreiben gelernt. Dann hatte er, während er immer noch Mauern errichtete, begonnen, sich einen Weg in die gute Gesellschaft zu bahnen, indem er seine Dienste als Buchhalter oder Schreiber anbot. Erst später, nach dem Tod seines Vaters und vor der Kapitulation von Montréal, war in ihm der Wunsch gereift, Notar zu werden.
    Monsieur Mézières hatte die Erbschaftsangelegenheiten seines Vaters erledigt. Der junge Mann hatte viele Stunden damit zugebracht, mit ihm über die Lage der Kanadier unter der neuen britischen Regierung zu diskutieren, die Vaudreuils Herrschaft abgelöst hatte, und über die katholischen Ratsherren, die jetzt beiseitegeschoben wurden. Da hatte er einen leidenschaftlichen Patriotismus in sich aufsteigen gespürt, der ihm Lust darauf machte, verbissen zu kämpfen und sich von den Engländern nicht seiner Rechte berauben zu lassen.
    Er hatte begriffen, dass die gleiche Inbrunst – wenn auch durch Müßiggang ein wenig gedämpft – in Isabelles Herz wohnte, und er wünschte sich, dieses Gefühl zum Leben zu erwecken. Dieser Schwachkopf Larue kroch vor der britischen Elite, die nur auf den richtigen Moment wartete, um ihn in den Staub zu treten. Isabelle musste ihn aufrütteln, bevor es zu spät war, ehe die Kanadier endgültig nur noch auf Posten in der zweiten Reihe verwiesen wurden und nicht mehr an den wichtigen Entscheidungen, die ihr Land betrafen, teilhaben konnten.
    »Hat mein Mann eigentlich den Vertrag des Händlers van der Meer wiedergefunden?«, fragte Isabelle, indem sie »mein Mann« betonte.
    »Van der Meers Vertrag? Ähem … ja. Er hatte ihn bei sich.«
    Sie gingen weiter, dieses Mal mit einem größeren Abstand.
    »Ach ja? Dann ist Monsieur van der Meer wohl nach Montréal zurückgekehrt und wollte Änderungen vornehmen?«, fragte sie mit hoffnungsvoller Stimme.
    Jacques Guillot blieb stehen und sah sie unsicher an.
    »Hat Euer Mann Euch die traurige Nachricht nicht mitgeteilt?«
    »Die traurige Nachricht? Monsieur van der Meer wird den Winter nicht in Montréal verbringen?«
    Isabelle wurde das Herz schwer. Sie konnte nicht glauben, dass Alexander im Norden geblieben war, um dort zu überwintern. Angesichts ihrer offensichtlichen Aufregung zögerte der junge Mann.
    »Aber so erklärt doch, was Ihr meint, Jacques!«, versetzte sie ungeduldig und nahm seinen Arm.
    Sie hatte ihn beim Vornamen genannt! Er war entzückt!
    »Monsieur van der Meer wird nicht wiederkommen. Eine schreckliche Geschichte, Madame. Der Händler und die wenigen Männer, die mit ihm zurückfuhren, sind alle massakriert worden. Von Wilden, wie es heißt.«
    Einen Moment lang reagierte Isabelle nicht. Dann zog sich ihre Brust derart zusammen, dass sie keine Luft mehr bekam. Sie würde ohnmächtig werden. Zum Glück stützte der besorgte junge Mann sie mit fester Hand und half ihr, sich auf eine Steinbank zu setzen.
    »Massakriert … von Indianern? Alle tot?«
    »Ich … ich wusste gar nicht, dass Ihr dem Händler so sehr verbunden wart, Madame«, stotterte Jacques Guillot verlegen. »Ich hätte Euch das nicht sagen sollen; ich entschuldige mich … Es wäre besser gewesen, Euer Gatte …«
    Isabelle starrte auf die glänzende Nadel, die die Krawatte des jungen Mannes schmückte. Alexander, tot? Getötet, umgebracht, massakriert von Indianern? Während Jacques Guillot mit sanfter Stimme versuchte, sie über einen Kummer zu trösten, dessen Ursprung er nicht kannte, dachte sie an Gabriel. Der kleine Junge war Halbwaise und wusste es nicht einmal. Er würde glücklich weiterleben, ohne jemals seinen leiblichen Vater kennenzulernen. Alexander … sie würde ihn nie wiedersehen …
    »Madame, Madame, kann ich … etwas zu trinken holen? Euch … nach Hause fahren? Euren … Mann …?«
    Verstört sah sie den jungen Mann an, ohne ihn wirklich zu sehen. Von seinen besorgten Worten drangen nur Fetzen zu ihr. Sie spürte, wie seine Hände sich von ihren Schultern lösten und hatte den Eindruck, wenn er sie jetzt losließe, würde sie in die Nacht davonschweben und für immer verloren sein.
    »Nein.«
    Sie klammerte sich an den Kragen seines Rocks. In seiner Verwirrung konnte er nur die Arme um sie legen und sie darin

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